Quellen Der Lust
treffen“, sagte er schließlich und sah sie forschend an.
Sein prüfender Blick machte sie verlegen. Trotz seiner aristokratischen Allüren war er ein respekteinflößender Mann. Es war eine Erleichterung, als er den Blick endlich abwandte.
„Das Problem war, Hoheit, dass ich entdeckte, dass er jede meiner Bedingungen erfüllte. Jede einzelne. Und noch einige mehr. Er war geduldig, ehrenhaft, respektvoll … Ich begann, seine Gesellschaft zu genießen. Er kann ziemlich witzig sein, wenn er will. Und er lachte immer an genau den richtigen Stellen und zog mich oft genug auf.“
„Lachte?“ Bertie sah zu Boden, als verstörte ihn diese Vorstellung. „Glaube nicht, dass Jack sich jemals so vor mir gehen ließ.“
„Er hat ein wundervolles Lachen, Hoheit. Und als ich erfuhr, dass er seine akademische Karriere an den Nagel gehängt hat, um Ihnen zu dienen und …“
„Akademische Karriere?“
„Sein Studium in Cambridge. Man hatte ihm angeboten, an der Universität zu bleiben und seine Recherchen fortzuführen. Vielleicht sogar selbst Professor zu werden.“
„Wer hat Ihnen denn das erzählt?“
„Sein ehemaliger Professor in Cambridge. Jacks Familie bestand darauf, dass er die Universität verlasse und in Ihren Dienst trete, nachdem sein älterer Bruder geheiratet hatte.“
„Das reicht.“ Er hob eine Hand, um seinen Befehl zu unterstreichen und stand dann mit missmutiger Miene auf. Einen kurzen Augenblick ging er schweigend auf und ab, während sie ihn mit eisigen Gliedern, trockenem Mund und klopfendem Herzen ansah.
„Und ich soll glauben, dass dies alles zufällig passiert ist? Und sich lediglich aus den Umständen heraus entwickelt hat?“ Bertie blieb kurz vor ihr stehen.
„Nur, weil ich wünschte, Sie würden mir glauben, ist meine Schilderung nicht weniger wahrheitsgemäß, Hoheit. Einen loyaleren Mann als Jack werden Sie nie kennenlernen. Und es war nie meine Absicht, Sie zu kränken, wenn ich auch zugeben muss, dass ich Vorbehalte hatte.“
Wieder durchquerte Bertie den Raum. Er sah so aus, als laste das versammelte Leid der Welt auf seinen Schultern. Dann drehte er sich zu ihr um.
„Also gut, ich entbinde Sie von unserem Abkommen … mit der Einschränkung, dass auch ich allen Verpflichtungen enthoben bin. Die angefallenen Ausgaben müssen nun Sie übernehmen, werte Dame, und mir als Schulden zurückerstatten.“
Sie spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. Betroffen sah sie auf ihr teures blaues Seidenkleid, das ihr plötzlich mehr wie die Fesseln einer Gefangenen denn als eine elegante Abendgarderobe vorkam. Der Anflug eines Lächelns auf seinem Gesicht gab ihr zu verstehen, dass er ihre Gedanken erriet.
„Nun, da Sie verstanden haben, welche einengenden Auswirkungen diese Heirat auf Ihre Zukunft haben wird – was halten Sie davon, wenn ich Ihnen eine zweite Chance gebe, Ihr Glück an meiner Seite zu suchen?“
„Wie bitte?“ Sie erhob sich und stand unsicher vor ihm.
„Jacks Familie ist ehrgeizig. Mein Angebot könnte der Beginn eines sehr eleganten und luxuriösen Lebens für Sie bedeuten, meine Liebe. Und Jacks Karriere anschieben. Vielen Männern in der Regierung wurde von ihren Frauen weitergeholfen, die bereitwillig ihre Pflichten erfüllten … im Bett des Prinzen.“ Er hielt ihr die Brosche mit wissendem Blick entgegen. „Wir könnten alle diese Unannehmlichkeiten vergessen und noch einmal ganz von vorne anfangen.“
Meinte er das ernst? Hatte er ihr denn überhaupt nicht zugehört, ihr nicht geglaubt?
Ihr wurde bang ums Herz bei dem Gedanken an die Hindernisse, die ihnen das Leben erschweren würden: nicht nur Berties Missbilligung, sondern auch die Ablehnung von Jacks Familie und nun obendrein noch einen neuen Schuldenberg, der abbezahlt werden musste. Würde Jack es nicht bereuen, dass er durch die Hochzeit mit ihr das Vertrauen des Prinzen und damit eine vielversprechende Zukunft eingebüßt hatte?
„Es ist sehr großzügig von Ihnen, mir diese Möglichkeit ein zweites Mal anzubieten, Hoheit.“ Sie zwang sich dazu, aufrecht vor ihm zu stehen. „Doch mein Herz und meine Treue gehören nun Jack. Und obwohl ich auch Ihnen gegenüber loyal sein möchte, gibt es Wünsche, die ich Ihnen nicht erfüllen kann, da ich dadurch dem Mann untreu wäre, den ich liebe.“ Ihr Lächeln kostete sie so viel Anstrengung, dass sie das Gefühl hatte, ihr Gesicht müsse zerspringen. „Ich könnte ihn niemals mit einem anderen betrügen. Auch nicht für alle Juwelen,
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