Quellen Der Lust
Notwendigkeiten getrieben zu werden. Und es gab einiges zu bedenken. Während dieses kleinen Zwischenspiels hatte sie ihre Hände verstecken können, doch ihre Chancen standen schlecht, dass sie das über vierzehn Tage lang tun konnte. Natürlich würde er sie fortschicken, sobald er ihre Hände sah, und sie glaubte nicht, dass sie diesen Schmerz ertragen würde. Nicht noch einmal.
„Ich weiß deine Umsicht zu schätzen, Simon. Und deinen Weitblick. Ich werde darüber nachdenken.“ Tatsächlich glaubte sie nicht, dass sie überhaupt an etwas anderes denken könnte. „Aber jetzt ist es Zeit für mich, nach Hause zu gehen.“ Sie ließ ihn los, tauchte ihre Hände ins Wasser und trat zurück. Er ließ die Arme sinken, und sofort vermisste sie es, seine Berührung auf ihrer Haut zu fühlen. Dann wandte sie ihm den Rücken zu, tauchte bis zum Hals ins Wasser und schob rasch die Arme wieder in das Chemisier. Nachdem sie sich das Kleidungsstück richtig angezogen hatte, ging sie zu dem steinernen Sitz und stieg aus dem Wasser.
In der kalten Luft bekam sie eine Gänsehaut und griff nach ihrem Hausmantel. Ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel beim Anblick von Beauty, die sich neben ihrer Kleidung zusammengerollt hatte. Nachdem sie den Gürtel an ihrer Taille zugebunden hatte, zog sie sich das Cape über, die Handschuhe und Stiefel, und steckte die Pistole in ihre Tasche. Nun, da ihre Hände bedeckt waren, fühlte sie sich weit weniger verletzlich, und sie drehte sich zu ihm um. Auch er hatte die Quelle verlassen und zog sich den Überrock an, ohne sie dabei aus den Augen zu lassen. Einen Moment lang sahen sie einander nur an, und Genevieve fühlte außer der heftigen Anziehung noch etwas anderes, etwas, das sie noch nie erlebt hatte.
„Ist dir kalt?“, fragte er und ging auf sie zu.
Wenn es doch nur so wäre. Ihr sollte kalt sein. Stattdessen war ihr immer noch heiß, und ihr wurde heißer mit jedem Schritt, den er näher kam. „Nein.“
Er blieb stehen und sah sie an, als wäre sie ein Rätsel, das er nicht lösen konnte. Dann fiel sein Blick auf ihren Mund. Etwas funkelte in seinen Augen, und ihr Herz schlug schneller in freudiger Erwartung. Doch anstatt sie zu küssen, bückte er sich und hob Beauty hoch. Schläfrig öffnete der Welpe ein Auge, gähnte ausgiebig und schmiegte sich dann in Simons Armbeuge, um weiter seine Hundeträume zu träumen.
Simon streichelte leicht dem Hund über den Kopf und sagte dann leise: „Vorhin, als ich quer durch den Wald hinter diesem Frechdachs herlief, war ich versucht, ihren Namen zu ändern in Die-die-Leine-durchbiss. Oder Die-unglaublich-schnell-läuft. Oder in Nervensäge. Jetzt bin ich versucht, sie in Genie umzutaufen. Ganz gewiss bin ich ihr den größten Knochen im Königreich schuldig, weil sie mich hierher geführt hat.“
„Und du dachtest, sie würde nur Schwierigkeiten bereiten.“
„Oh, das tut sie. Aber wie es scheint, habe ich eine Schwäche für Schwierigkeiten.“ Er ließ den Blick über ihre Gestalt gleiten. „Unter anderem. Was bedeutet, dass wir jetzt gehen sollten. Sonst verbringen wir noch die ganze Nacht hier.“ Er streckte ihr den freien Arm hin. „Sollen wir?“
Genevieve schob eine Hand unter seinen Ellenbogen, und sie gingen den Weg entlang. Eine Weile lang war nichts anderes zu hören als ihre Schritte auf den trockenen Blättern. Dann – den Grund dafür wusste sie selbst nicht – hörte sie sich sagen: „Es ist lange her, seit ich mit einem Mann durch den Wald gegangen bin.“
Er drehte sich um und sah sie an. „Daraus kann ich nur schließen, dass es dein Entschluss war, allein zu gehen, denn du musst nur mit den Fingern schnippen, und schon steht ein Dutzend Verehrer an deiner Tür.“
Auch wenn er sich dabei irrte, so wurde ihr doch warm bei diesem Kompliment. „Danke, aber du überschätzt meine Reize bei Weitem, Simon.“
„Das tue ich nicht. Du unterschätzt sie. Hast du keine Spiegel in deinem Haus?“
„Doch. Und die belügen mich nicht.“ Sie zeigten ihr genau das, was sie war, eine alternde frühere Mätresse mit entstellten Händen. Ein Schatten der Frau, die sie einst gewesen war.
„Dann brauchst du eine Brille.“
Gerade wollte sie ihm sagen, dass sie keine brauchte, da blieb er abrupt stehen. Sie waren eben um eine Ecke gebogen, und vor ihnen lag ihr Cottage.
„Deine Vordertür steht offen“, sagte er leise, zog sie vom Weg und hinter einen Baumstumpf. Als Genevieve durch die Dunkelheit spähte, griff
Weitere Kostenlose Bücher