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Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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einstufen konnte, und sie hatten auch noch kein einziges Mal nach der Arbeit auf einen Drink zusammengesessen. Sie waren einfach zwei Menschen, die zufällig denselben Job erledigten und die sich dabei zwangsläufig über den Weg liefen. »Sie haben meinen Bericht am Mittwochmorgen vorliegen, wenn Ihnen das reicht«, wandte sie sich wieder an Auerbach, als sie bemerkte, dass Verhoeven überhaupt nicht daran dachte, wegzusehen.
    »Mittwoch ist okay«, entgegnete Auerbach. »Und nehmen Sie’s nicht zu schwer, Mädchen. War nicht Ihr Fehler.«
    Sie versuchte ein Lächeln, aber Heinz Auerbach hatte sich bereits wieder umgedreht und suchte seine Sachen zusammen.
    »Ich begleite Sie noch zu Ihrem Wagen«, verkündete Verhoeven hinter ihr.
    Na, das fehlte ja gerade noch! Winnie Heller fühlte, wie ihr die Zornesröte in die Wangen kroch. Zuerst dieser mehr als herablassende Trost ihres Einsatzleiters, und nun auch noch ein Vorgesetzter, der meinte, den Kavalier spielen zu müssen, um auf dem Weg zu ihrem Auto ein paar aufmunternde Worte loszulassen. »Nicht nötig«, sagte sie, wobei sie sich alle Mühe gab, endgültig zu klingen. Klarzumachen, dass sie keinen Geleitschutz brauchte und dass sie sich, was das betraf, auch auf keine weitere Diskussion einlassen würde. »Es ist gleich um die Ecke.«
    Verhoeven warf einen Blick auf seine Armbanduhr, als ob sie ein Teenager sei, der um diese Uhrzeit längst ins Bett gehörte. »Sind Sie sicher?«
    Sie nickte. Oh ja, sie war ganz sicher! Aber damit er nicht auf dumme Gedanken kam, sagte sie noch einmal: »Es sind wirklich nur ein paar Schritte.«
    Er zögerte einen Augenblick, bevor er in seine Brusttasche griff und ihr Portemonnaie sowie die Schlüssel zu ihrem Polo aushändigte, die er für sie verwahrt hatte. »Gut, dann sehen wir uns also übermorgen im Büro.«
    »Übermorgen«, nickte sie und hob grüßend die Hand, bevor sie auf ihren schwindelerregend hohen Plastikpumps durch die Nacht davon stakste.
     
     
    4
    Morgen …
    Irgendwie warte ich die ganze Zeit auf den Moment, in dem ich so was wie Aufregung fühle oder Nervosität, aber im Augenblick bin ich noch total cool. Es ist, als ob mich einer in einen Behälter mit Eiswasser getaucht hätte, und das finde ich irgendwie fast enttäuschend, aber der Kick wird schon noch kommen, wenn es Zeit ist. Da bin ich ganz sicher. Schade nur, dass ich kein Diktiergerät oder so was mitnehmen kann, um meine Kommentare und ihre Schreie und all das aufzunehmen. Aber das wäre wohl doch zu riskant. Wer weiß, ob die Bullen einen nicht durchsuchen, hinterher …
    Naja, dann muss ich mich eben auf mein Gedächtnis verlassen. Und alles so schnell wie möglich aufschreiben, solange die Eindrücke noch frisch sind. Immerhin soll da ja mal ein Buch draus werden, das mich von einem Tag auf den anderen an die Spitze der Bestsellerliste katapultiert. »Bericht aus der Hölle« oder so was in der Richtung. Erinnerungen eines Amokläufers …
    Ich glaube, Devil denkt noch immer, dass ich nicht genug Mumm habe und im letzten Augenblick kneifen werde. Zumindest lässt er andauernd irgendwelche nervigen Sticheleien ab von wegen, ich könnte die Sache ja immer noch abblasen, wenn’s mir zu heiß würde und so. Aber was das betrifft, täuschst du dich gewaltig, Mann. Ich habe den nötigen Mumm! Und was noch viel besser ist: Ich habe auch den nötigen Grips!
    Tja, Frau Ringstorff, tja, Herr Dammrich und wie ihr sonst noch alle heißt, ihr werdet schon noch mitkriegen, wie viel Grips ich habe! Und vielleicht werdet ihr euch schon morgen wünschen, dass ihr ein bisschen netter zu mir gewesen wärt, alle miteinander. Netter – und vor allem respektvoller!
    Aber das scheint irgendwie mein Schicksal zu sein, dass mich alle unterschätzen. Und ich fürchte, das wird sich auch nach morgen Vormittag nicht ändern. Aber das macht nichts, weil ich anders sein werde. Ich ganz persönlich. Und darauf allein kommt es an!
    Ich werde anders sein, weil ich weiß, dass ich etwas absolut Einmaliges getan habe. Etwas, das keinem von diesen anderen Idioten, die ihre Spuren in der Geschichte des Massenmords hinterlassen haben, je eingefallen wäre. Nur leider, leider, leider werde ich mein Wissen um meine Großtat eine ganze Weile für mich behalten müssen, eine ziemlich lange Weile sogar. Nichtsdestotrotz wird der Tag kommen, an dem ich aus der Versenkung auftauche wie Phönix aus der Asche und der Welt eröffne, wie ich wirklich bin und was ich getan habe. Und

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