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Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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dann, zu irgendeinem Zeitpunkt, den ich selbst bestimme, in einem Moment, wo mir meine Freiheit, zumindest die körperliche, nicht mehr so wichtig ist, werde ich den Beweis dafür liefern, dass dieser armselige kleine Loser, den sie für das Massaker am Clemens-Brentano-Gymnasium verantwortlich gemacht haben, nichts weiter als das Opfer eines Größeren war.
    Mein Opfer.
    Nein! Eins von meinen Opfern, um genau zu sein.
    Einzig und allein Devil werde ich natürlich einweihen, hinterher. Schon allein, um ihm sein großkotziges Getue auszutreiben. Es ist dir am Ende vielleicht doch nicht wirklich ernst, mailte er mir neulich. Dein Hass und deine Verachtung für diese Subjekte sind nicht so stark, wie du glaubst. Und wenn du feststellst, dass du es doch nicht draufhast, wenn dir die Sache am Ende vielleicht doch zu heiß wird, dann kannst du immer noch umkehren. Selbst jetzt noch. Denk daran … Dummes, gestelztes Gelaber! Manchmal habe ich echt das Gefühl, dieser Wichser denkt, das Ganze ist nur ein harmloser Spaß. Eine Art Gedankenspiel, das ich abziehe, um Frust abzulassen. So wie sich manche Typen in irgendwelchen Foren als Schlachtopfer anbieten und dann kalte Füße kriegen, wenn sie an einen geraten, der die passenden Geräte schon im Keller stehen hat und der wirklich Ernst macht mit dem Schlachten …
    Aber von meiner Seite ist es nie ein Spiel gewesen, von Anfang an nicht. Ich bin keiner, der in einer beschissenen Phantasiewelt lebt, und auch keiner von diesen Typen, die beim Chatten behaupten, sie wären eins neunzig groß und Profibasketballer, wo sie in Wirklichkeit bloß irgendwelche pickligen Krüppel sind. Nein, Devil, ich gehöre definitiv zu den Leuten, die todernst meinen, was sie sagen!
    Natürlich musste ich den Plan, der schon lange in mir war, hier drinnen, in meinem Kopf, noch ein wenig ausfeilen, ihn perfektionieren und auf mögliche Schwachstellen abklopfen, und dafür war es ganz hilfreich, jemanden zu haben, mit dem ich mich austauschen konnte. Der ähnlich denkt und fühlt, auch wenn er selbst natürlich nie den Mumm hätte, so weit zu gehen, wie ich morgen gehen werde. ICH werde die Grenze überschreiten, und ich freue mich jetzt schon darauf, was Devil sagen wird, wenn er mitkriegt, dass ich die Sache wirklich und wahrhaftig durchgezogen habe!
    Immerhin haben wir das alles hundertmal durchgekaut, Devil und ich. Wir haben Diskussionen darüber geführt, welche Reihenfolge die beste ist, wo man anfangen müsste, um möglichst viele Opfer zu machen – so nennen wir das, wenn wir Klartext reden: »Opfer machen« –, und was man tun würde, wenn dieses oder jenes passiert und so weiter. Oh Mann, ich glaube, wenn Devil wüsste, dass ich mich morgen nicht in allen Punkten an unsere Strategie halten werde, würde er die Krise kriegen! Perfektion, sagt er immer. Was wir brauchen, ist Perfektion. Den ultimativen Plan. Einen, der alle Eventualitäten einschließt. Denn nur, wenn du tatsächlich an alles gedacht hast, wirst du Erfolg haben. Bla, bla, bla …
    Tja, mein Freund, ich werde trotzdem Erfolg haben. Sogar mehr, als du glaubst. Und ich habe ganz bestimmt nicht vor, mir von irgend so einem beschissenen Scharfschützen eine Kugel in den Kopf jagen zu lassen! Auf diese Art von Ruhm kann ich echt verzichten!
    Und mal ehrlich: Richtig geil wird’s doch sowieso erst im Nachhinein, wenn du sozusagen in aller Munde bist und deine Heldentat dir von jeder Titelseite entgegen grinst. Das ist doch im Grunde der Punkt, an dem die Sache erst anfängt, Spaß zu machen, und ich würde es voll schade finden, wenn ich um die Früchte meiner Arbeit gebracht werde, bloß weil ich zum Zeitpunkt meines Comingouts bereits in der Hölle schmore!
    Als ich das erste Mal ernsthaft darüber nachgedacht habe, davonzukommen, hatte ich ja die Idee, Lukas Wertheim, diesen verfickten Casanova, den Part des Sündenbocks übernehmen zu lassen. Oder Steven, seinen Zusammen-legen-wir-die-ganze-Schule-flach-Kumpel. Oder am besten gleich beide. Das wäre eine besonders coole Form von Rache gewesen. Dass diese beiden Dreamboys der Nation zum Entsetzen von Mum und Dad als schießwütige Irre in die Geschichte eingehen, noch dazu für etwas, das sie gar nicht getan haben. Vom Profil her hätte es jedenfalls voll gut gepasst, immerhin könnte eine halbes Dutzend Leute den Bullen was über diese Gotcha-Ballereien erzählen, die die beiden im Wald rund um die Jagdhütte von Lukas’ Altem veranstalten. Und von einem E-Pneumaten zu

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