Quintessenzen
Perfektion nicht geben kann, weil das Leben im letzten Detail unberechenbar bleibt – wie würdest du, wärst du schöpfungsverantwortlich, diesen Sachverhalt so abbilden, dass ihn auch der letzte Rationalist versteht, also ein Mathematiker? Eben. Indem du ihm die Möglichkeit nimmst, Perfektion zahlenmäßig zu erfassen. Und nur deshalb benötigst du zur Berechnung der Größe einer Kugel eine unmögliche Zahl: Pi.
Das Lieblingselement des Schöpfungsverantwortlichen ist daher jenes, aus dem wir überwiegend bestehen und das von sich aus die Kurve und die Kugelform sucht. Nimm eine Handvoll → Wasser , wirf sie ausreichend hoch und mach ein Foto davon. Du wirst eine Menge Kugeln sehen. Wasser weiß, dass dies die sicherste Form ist, aber Wasser ist ja auch sonst ziemlich clever.
Für den alltäglichen Gebrauch sollte uns diese Erkenntnis beruhigen. Der direkte, kürzeste Weg führt meist nur schnurstracks irgendwohin, aber nicht näher ans Ziel und schon gar nicht näher zur Zufriedenheit auf dem Weg. Wir sind daher gut beraten, die Natur zu betrachten und nicht den schnellsten, sondern den schönsten Weg zu wählen, den sie uns gestattet. Solltest du jemals Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Behauptung hegen, empfehle ich dir zwei Autofahrten, eine auf der A7 von Hamburg Richtung Norden und eine zweite auf der Chiantigiana (egal, in welche Richtung). Sollte dich danach noch mal jemand kritisieren, weil du einen natürlichen Weg durch dein Leben wählst, wird dich das vollständig kaltlassen.
Nichts, was aus Geraden zusammengesetzt ist, kann rund sein, und nur was rund ist, kann in sich ruhen. Stabilität und Seelenruhe liegen daher in der Kugel, die aus endlos vielen Kreisen besteht, nicht aus Pfeilen; einer Kugel, deren Mittelpunkt deine Seele bildet, und deren Stabilität die Qualität deines Denkens und Fühlens bestimmt, mithin deine Seelenruhe auf dem Weg durch Raum und Zeit.
ElementaresWegdenken
Selbst ein kluger Fisch wäre überfordert damit, sich eine Weltanschauung zu machen, in der Wasser nicht vorkommt. Fische sind daher mäßige Philosophen, wir hingegen haben das Potenzial, über die Oberfläche hinauszudenken, kraft unseres kühnen Geistes. Dieses einzigartige Werkzeug sollten wir gelegentlich sinnvoll nutzen und uns mittels der nachfolgend geschilderten einfachen Übung neue Perspektiven auf unsere Umwelt und deren gelegentlich rätselhafte Bewohner eröffnen.
Im Normalzustand, im Alltag, sind wir Gefangene unserer Systeme – unserer Sprache (an die alles, was wir wissen oder zu wissen glauben, gebunden ist → Glück ), unserer Moral, unseres Ego, unserer Definitionen, unserer Überzeu gungen. Es ist daher ausgesprochen erfrischend für Seele und Geist, eben diese Fesseln gelegentlich zu testen. Das Gemeine an diesen Fesseln ist allerdings, dass sie nicht etwa klein und fast unsichtbar sind, sondern so riesig und allgegenwärtig, dass wir sie gar nicht als solche erkennen.
Das Vorhandene ist selbstverständlich, aber nicht selbsterklärend. Es enthüllt nur dem seine Bedeutung, der es sich wegdenkt.
Die Übung ist daher simpel: Entferne gedanklich eine fundamentale Selbstverständlichkeit aus dem System, in dem du lebst. Nicht eine Selbstverständlichkeit wie den Bus in die Stadt oder den Käse im Kühlschrank, sondern zum Beispiel → Licht , → Wasser , den Begriff »Rot« oder das Telefon.
Stell dir vor, du lebtest am Nordpol. Ohne Begriff für Blumen, den Duft einer frisch gemähten Wiese oder den eines Waldes nach dem Sommerregen. Wäre dein Denken und Fühlen genauso wie jetzt?
Stell dir vor, du müsstest neunzig Minuten eisern und aufmerksam vor deinem Computer sitzen, um eine CD mit deinen Lieblingssongs zu brennen. Oder du müsstest zwei Jahre reisen und zahllose Geschäfte abklappern, zu Fuß, um ein vergriffenes Buch kaufen zu können. Wärst du ein anderer Mensch?
Stell dir vor, du lebtest in einer Gesellschaft, die aus philosophischen Gründen die Existenz der »Null« verbietet, weil diese keine Zahl ist. Sei doch nun bitte so nett und versuche die vergleichsweise simple Rechenaufgabe 12 x 4156 schriftlich zu lösen. Fast unmöglich? Wohl wahr.
Du warst eben für einen Augenblick Römerin, denn unter den römischen Ziffern fehlt die Null tatsächlich. Aus den genannten Gründen.
Können die Römer gedacht haben wie du und ich, im Wissen, dass es keine Null gibt? Und konnten sie wissen, was sie alles nicht mal ahnen?
Stell dir vor, du glaubtest, dass die Sonne um die
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