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Quintessenzen

Quintessenzen

Titel: Quintessenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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Du wirst nicht leiden wie Jesus, aber du wirst leiden. Mehr als der Buddhist, der zwar weiß, dass Leben Leiden ist, das aber auf dem Weg ins Nirwana gar nicht so schlimm findet.
    Du wirst es schlimm finden, für dich. Jesus fand es schlimm, für sich. Aber er wusste, dass es keinen anderen Weg gibt, und darin lag sein Trost. Lass Liebe deinen einzigen Leitstern sein, sei nachsichtig, vergib alles, was du kannst, und sei dir immer im Klaren darüber, dass du frei bist. In jeder Sekunde deines Lebens.
    Und sollte man dich am Ende ans Kreuz schlagen nach einem Leben geprägt vom Bemühen zu lieben, und solltest du immer noch trotzig das einzig Wahre konstatieren, nämlich: »Und trotzdem liebe ich«, sei versichert, dass du nicht verloren gehst. Denn auch hier treffen sich Jesus, seine buddhistischen Freunde, die Stoiker, Planck und die Quantenphysiker in einer fundamentalen Gewissheit: In diesem → Kosmos geht nichts verloren.
    Jetzt
    Herr Kalidasa hatte schon etwa 1 600 Jahre vor uns recht, als er für uns notierte: »Gib Acht auf diesen Tag! Denn er ist das Leben, das wahre Leben des Lebens. In seiner kurzen Dauer ruht alle Wahrheit und alle Wirklichkeit deiner Existenz: die Seligkeit des Wachseins, der Ruhm der Tat, die Herrlichkeit der Leistung. Denn Gestern ist nur ein Traum und Morgen nur eine Vision. Aber heute gut gelebt, macht jedes Gestern zu einem Traum des Glücks und jedes Morgen zu einer Vision der Hoffnung. Darum gib Acht auf diesen Tag. Dies sei dein Gruß an jede neue Sonne.«
    Case closed. Das Heute, das Jetzt ist alles, was wir haben. Existenzialistische Pop-Philosophen haben daraus allerdings noch mehr gemacht, sinngemäß: Denk nicht nach vorn und nicht nach hinten, denn da wir das Vergangene nicht wiederherstellen können, sind sogar angenehme Erinnerungen zu vermeiden, machen sie doch nur unglücklich, weil der Zustand, den sie heraufbeschwören, nicht wiederherstellbar ist. Lebe ausschließlich im Jetzt!
    Das ist Unsinn – beziehungsweise wohlklingendes Gesumme, gültig ausschließlich für Mönche, Milliardäre und Asoziale. Denn wir Normalsterblichen mit unseren Weltverbessererwünschen, unseren Kindern und Verantwortungen kommen mit dem »Ich leb dann mal immer ausschließlich genau jetzt!« und »Ich bin so frei!« nicht viel weiter als bis in Teufels Küche.
    Aber recht hat Kalidasa doch. Denn die meisten von uns leben ausschließlich im Gestern und Morgen und finden nie ins Jetzt, nicht mal eine halbe Stunde täglich. Diese aber ist entscheidend für unser gesamtes Befinden; dieses bewusste, aber zeitlich begrenzte Aussteigen aus jedem Hamsterrad, aus allen Frage- und Antwortspielen, aus dem Zeitstrom, aus dem, was wir »Ich« nennen – hinein ins Jetzt, um uns zu erden und unser Bewusstsein wiederherzustellen, wer wir sind, was wir sind, wo wir sind und was wichtig ist.
    Darum lebe gedanklich nicht permanent im Jetzt, aber tagtäglich wenigstens einmal, so alltäglich, wie du dir die Zähne putzt. Tust du beides, hast du allerbeste Aussichten auf langlebige Zähne – und auf fundamentale Ruhe.

Wachstum: Freie Platzwahl
    Gestatte mir ein paar Bemerkungen zu meiner alleinstehenden Lieblingseiche sowie den Jungs aus dem Kieferngroßraumbüro, denen ich seit meinem sechsten Geburtstag circa einmal pro Jahrzehnt einen Besuch abstatte. Die Eiche, die ich meine, steht allein in leicht hügeliger Feldlandschaft und ist ein atemberaubender Anblick. Man sieht sie von mehreren Landstraßen aus, weit weg, und man hält am Straßenrand, um sie zu bewundern. Sie ist prachtvoll gewachsen, mit dichtem Laubkleid bis fast zum Boden, und stünde sie nicht so weit entfernt von allen Parkplätzen und Wegen, sie wäre vermutlich ein Wallfahrtsort für empfindsame Menschen.
    Könnte sie uns ihre Geschichte erzählen, wär’s vermutlich der Bericht eines harten Lebens, über einen langen Weg ohne Begleitung, ohne nahestehende Verwandte. Und wenn wir diesem Bericht fasziniert lauschen, hören wir zwischen den Zeilen die vielen Berichte von weniger glücklichen Eichen. Die nicht majestätisch irgendwo stehen, sondern ihr ehrgeiziges Vorhaben mit dem frühen Ableben bezahlten, in Höhe von 4 Metern, gekillt vom Frost oder einem Sturm.
    Der Gegenentwurf sind die Kiefern. Wenn du nächstes Mal in einem größeren unordentlichen Waldstück bist, schau gele gentlich nach oben (bleib vorher stehen), dann wirst du ga rantiert irgendwo eine Reihe von hübschen, drei Meter hohen Christbäumen sehen, die auf einem

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