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Quitt

Quitt

Titel: Quitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Fußspitzen, um kein Wort zu verlieren.
    »Die Kräfte verlassen mich«, so beginnen seine Aufzeichnungen. »Geschossen bin ich um die neunte Stunde... Wenn ich sterben sollte, eh ich gefunden werde, so wisse man, daß ich von einem Wilddiebe geschossen bin, der war ganz nahe mit Doppelflinte, wahrscheinlich ein Böhm'scher, ziemlich groß in braunem Rock und Hut und falschem Bart... Eltern und Geschwister, lebet wohl, und Du, meine gute Frau, der ich viel abbitte, lebe wohl! Ich bitte den Herrn Grafen, daß er Euch versorge, da ich mein Blut in seinem Dienst vergossen habe... Lebet wohl; Gott sei mir gnädig! Betet für mich! Ich habe große Schmerzen. Guter Gott, erbarme Dich meiner. Herr Graf, sorge für die Meinigen, ich habe mein Blut für Dich vergossen... Ich schreie so sehr und habe mein Gewehr abgeschossen, daß man mich höre, aber kein Mensch hört mich. O Gott, erlöse mich! Betet für mich und denket nicht auf Rache... Gott vergebe meinem Mörder und erbarme sich meiner... Meine Leiden sind groß.«
    Als Gerichtsmann Klose diese seine Vorlesung geschlossen und das Notizbuch wieder zu sich gesteckt hatte, ging ein Gemurmel durch den Saal. Es war das Gemurmel der Teilnahme, der Zustimmung, des Erschüttertseins. Opitz war wenig beliebt gewesen, und unter denen, die da standen, Männer und Frauen, waren viele, die seinen Tod mehr als einmal gewünscht hatten; aber nach Anhörung dieser Worte regte sich doch das Mitleid. Und daß er so sehr für seine Frau bat, für dieselbe Frau, der er viel Herzeleid angetan hatte, der er nun aber auch abbat, das versöhnte mit ihm, und eine der Frauen sagte: »Wer das gedacht hätt.«
    Der alte Gerichtsmann unterbrach diese dem Toten so günstige Stimmung nicht, und erst als sich die Erregung gelegt hatte, nahm er die Verhandlung wieder auf: »Und nun frag ich nach dem Mörder! Wer war es? In dem Notizbuch heißt es, daß es ein Böhmischer war... Ich glaube
nicht
, daß es ein Böhmischer war; ich glaube, daß wir ihn hier auf unserer Seite suchen müssen und daß er, wenn wir alles sehen könnten, was sich klug verbirgt, daß er vielleicht in diesem Saale zu finden wäre.«
    Während Klose so sprach, sah er absichtlich nur auf den Toten und vermied es, weil er nicht vor der Zeit den ganz bestimmten Ankläger machen wollte, nach
der
Stelle hinzusehen, wo Lehnert stand. Aber seine Vorsicht war nicht mehr vonnöten; inmitten der Aufregung, die die Vorlesung der Notizblätter hervorgerufen hatte, hatte sich Lehnert aus dem Saal entfernt, unbekümmert darum, ob sein Verschwinden auffallen werde oder nicht.
     
Fünfzehntes Kapitel
     
    Vom Gerichtskretscham aus bis zum »Goldenen Frieden« war die Dorfstraße leer, und erst als Lehnert an dieser Stelle links einbiegen und auf dem mehrerwähnten Schlängelpfade nach dem tiefergelegenen Wolfshau hinunter wollte, sah er Frau Opitz auf eben diesem Schlängelpfade herankommen und trat seitab in den Schatten eines hier stehenden Schuppens, um nicht gesehen zu werden. Frau Opitz sah ihn auch wirklich nicht und schritt ihrerseits auf den Gerichtskretscham zu, wo sie, wie man ihr in Wolfshau gesagt hatte, den Toten finden würde. Jeder war erschüttert, als sie hier in den Saal trat und dem Toten das Haar aus der Stirn strich und ihn küßte, und wenn sich schon vorher ein Stimmungsumschlag zugunsten Opitz' gezeigt hatte, so vollends jetzt. Die Männer hielten wohl noch zurück, aber die verheirateten Frauen fuhren mit dem Schürzenzipfel nach dem Auge, wenn sie nicht geradezu schluchzten und weinten. Einige drängten sich an die nun Verwitwete heran und baten, sie nach Hause begleiten zu dürfen, wobei sie hoffen mochten, noch was Besonderes zu hören, die gute Frau war aber entweder zu schwach oder wollte sich nicht von dem Toten trennen. Jedenfalls nahm sie, statt der Anerbietungen ihrer Wolfshauer Nachbarsleute, lieber das Anerbieten der Kretschamwirtin an und setzte sich zu dieser in die Küche. Das geschäftige Treiben hier tat ihr wohl und zerstreute sie, denn sie hatte den Hausfrauensinn, der sich auch in diesem Augenblicke nicht verleugnete.
    Drinnen im Saale war mittlerweile das Bild ein anderes geworden. Es gab nichts mehr zu hören und zu sehen, und so verliefen sich die bloß aus Neugier Herzugeströmten, und nur
die
, die wegen des Protokolls pflichtmäßig zu bleiben hatten, blieben noch und suchten sich über einige fragliche Punkte zu einigen. Die Tat selbst lag klar vor. Aber die Frage »wer« blieb durchaus

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