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Quitt

Quitt

Titel: Quitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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einen alten Kalender von 1816 finden werde, werde man mutmaßlich auch den Mörder finden.
    Alles war unter diesem Berichte des Grenzaufsehers in Aufregung geraten, weil jeder fühlte, daß die nächste Stunde schon das Geheimnis aufklären müsse. Natürlich war eine Haussuchung nötig, und zur Frage stand nur noch das eine, bei
wem
damit begonnen werden solle.
    »Bei
wem
anfangen?« fragte der Alte.
    »Bei Lehnert Menz«, antwortete der Forstgehilfe.
    »Gut. Und wann?«
    »In dieser Minute noch. Denn er hat viel Freundschaft hierherum, und erfährt er, was wir vorhaben, oder wohl gar, wonach wir suchen, so wandert der Kalender in den Ofen oder er selber in die Welt. Er hat es schon lange vor.«
    Alle waren einverstanden. Nur einige wenige blieben im Kretscham zurück, der Rest aber erhob sich und ging auf Wolfshau zu.
     
    Bei der großen Hitze, die herrschte, zog man es vor, die ganz in greller Sonne liegende Chaussee zu vermeiden und lieber, von dem hochgelegenen Kretscham aus, gleich nach links hin bergab zu steigen, um hier, im Schatten der Berglehne, den Weg an der Kühlung gebenden Lomnitz hin zurückzulegen.
    Unterwegs wurden einige wieder unsicher, und Zweifel ließen sich hören, die, wenn sie nicht geradezu von dem jüngeren Gerichtsmann ausgingen, so doch wenigstens durch eben diesen genährt wurden. Ein halbverbrannter Papierpfropfen sei gefunden worden, soviel stehe fest, aber dieser Pfropfen brauche keineswegs aus dem Gewehre des Wilddiebs zu stammen. Auch Opitz habe geschossen, wenn nicht im Kampf (worüber sich vielleicht streiten lasse), so doch jedenfalls ein paar Not- und Signalschüsse, was aus seinen eigenen Aufzeichnungen hervorgehe. Solcher Äußerungen wurden in der Arrieregarde mehrere laut, aber an der Spitze der Kolonne, wo neben Klose der aus Erdmannsdorf herbeigekommene Gendarm Brey marschierte, hielt man an der einmal gefaßten Meinung fest und war nur einigermaßen überrascht, als man, im Näherkommen an das Inselchen und seine Stellmacherei, Lehnert Menz, in der Tür stehend, gewahr wurde, damit beschäftigt, ein paar überhängende Rosenzweige mit Bast wieder zurück an den Stamm zu binden.
    So wenigstens schien es. Er stand abgewandt und sah sich bei seiner Arbeit erst um, als er den Tritt der Herankommenden auf der kleinen Bohlenbrücke hörte. Daß er zusammenfuhr und sich verfärbte, sah niemand. Rasch entschlossen ging er dem Trupp bis an den Brückensteg entgegen und begrüßte den alten Gerichtsmann.
    »Ich weiß, Gerichtsmann Klose, weshalb Sie kommen.« Dabei zog er den Hut und trat respektvoll beiseite. Der Angeredete lächelte.
    »Nun gut, Lehnert, wenn Ihr wißt, weshalb wir kommen, so werdet Ihr auch nicht erstaunt sein, wenn wir vorsichtig sind und Eure kleine Festung absperren und die Brückenstege besetzen. Ich will Euch und uns wünschen, daß sich schließlich alles ›als nicht nötig gewesen‹ herausstellen möge. Vorläufig aber muß ich Euch bitten, voranzugehen und dafür zu sorgen, daß wir Euch im Auge behalten. Im übrigen sollt Ihr, vorderhand wenigstens, persönlich unbehelligt bleiben, denn es handelt sich in diesem Augenblicke nicht um Eure Person, sondern um eine Sache. Wir sind nämlich hier, um Euer Haus nach einem falschen Bart zu durchsuchen.«
    Der alte Klose sagte das so hin, um den unter Verdacht Stehenden auf eine falsche Fährte zu führen und dadurch wie sicher zu machen, was auch glückte. Lehnert, voranschreitend, stieg die Steintreppe hinan, während der Gerichtsmann und der junge Forstgehilfe folgten. Gendarm Brey aber postierte sich vor der Fronttür und überwachte von dieser seiner Hochstellung aus die durch den anderen Trupp erfolgende Besetzung der beiden Brückenstege. Flucht war unmöglich.
    In der Stube begann inzwischen ein Wehklagen und Geschrei. Die alte Menz warf sich dem Gerichtsmann zu Füßen, küßte dem jungen Forstgehilfen die Hand und schwor und jammerte, daß sie unschuldig sei und von nichts wisse und daß Lehnert auch unschuldig sei und ein frommes Gemüt habe, was ja der liebe Pastor Siebenhaar bestätigen könne, der ihn auf die Freischule geschickt, weil er immer die Sprüche so gut gelernt und immer neben der Orgel gestanden und am besten gesungen habe. Ja, so sei das Lehnertchen immer gewesen, ein frommes Gemüt und kränke keinen und keine Fliege nich an der Wand. Und was die Leute gesagt hätten und was auch Opitz gesagt habe (Gott hab ihn selig, denn er war ein engelsguter Mann, und nun gar erst die Frau,

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