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Quitt

Quitt

Titel: Quitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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sieben schlug, war man oben auf der Hampelbaude, wo zunächst Rast gemacht und nach Befund dessen, was man dort erfahren würde, der weitere Vormarsch verabredet werden sollte. Der Wirt wurde gerufen und bestätigte, daß Opitz, von den Holzschlägern kommend, am Sonnabend um die achte Stunde dagewesen sei und nach kurzem Aufenthalt seinen Weg nach der Riesenbaude zu genommen habe, vielleicht an den Teichen vorüber und dann über den Kamm hin, aber vielleicht auch den neuen schmalen Querweg entlang, der beim Quell und dem Steintrog in den großen Gehängeweg einmünde. Noch ein paar andere Fragen wurden gestellt, vor allem auch, wer sonst noch oben genächtigt habe, worauf der Wirt berichtete, daß nur Berliner oben gewesen seien und Lehnert Menz aus Wolfshau.
    Dieser Name, wenn auch nur kurz hingeworfen, bewirkte doch, daß sich die Gerichtsmänner untereinander ansahen, aber kein Wort wurde laut, und nachdem man einen Imbiß genommen hatte, brach man wieder auf, um auf dem vom Wirte bezeichneten schmalen Querpfade (denn daß Opitz auf die Teiche zugegangen sei, war nicht wahrscheinlich) den Weg nach dem Gehänge hin einzuschlagen. In einer Art Treiben ging man dabei vor, derart, daß der alte Gerichtsmann und drei, vier von den Gebirgsführern den eigentlichen Weg einhielten, während, was sonst noch verblieb, zu beiden Seiten des Weges ausschwärmte. Der Spüreifer einzelner – die hier oben, wo nur Kusseln standen, wieder arg von der Stichsonne zu leiden begannen – erschöpfte sich bereits, und schon hörte man, daß es eine nutzlose Quälerei sei, als Lehrer Lösche, der die rechte Seitenkolonne führte, plötzlich ein Volk Krähen auffliegen sah. Krähen! Das wäre an und für sich nichts Sonderbares gewesen, aber es waren ihrer zuviel, und so sagte denn Lösche: »Paßt Achtung, Kinder! Ich wette, da gibt es was.« Und von einer starken Vorahnung erfüllt, daß sich ihm, auf zehn Schritt Entfernung, etwas Grausiges vor Augen stellen würde, schritt er langsam und zögernd weiter und suchte nach vorn und hinten mit seinen Blicken. Richtig, da lag er. Aber wer? War
er
es? Was man zunächst sah, war nur die Mütze, die das Gesicht halb zudeckte, daneben ein blinkender Gewehrlauf, alles andere barg sich noch hinter einem Busch, dessen blätterreiches Gezweige den Toten wie hinter einem Schirm versteckte. Lösche wußte, noch drei Schritte, so mußte sich's zeigen. Und sich einen Ruck gebend, trat er von links her um das Gezweige herum und sah nun den Toten ausgestreckt vor sich. Es
war
Opitz. Aber das Grauen, auf das er sich gefaßt gemacht hatte, blieb aus, und er empfing nur den Eindruck eines erschütternden Todesernstes. Wenn dieser Mann sich jahrelang durch mitleidslose Strenge vergangen hatte, so hatte sein Tod seine Strenge gesühnt und mehr noch die Art, wie er diesem Tod ins Auge gesehen und sich auf ihn vorbereitet hatte. Lösches Auge ging der Blutspur nach, die sich von eben dem Busch her, wo der Tote jetzt lag, bis zu dem schmalen Querpfade hinabzog.
    Es war ersichtlich, daß der auf den Tod Getroffene nur mit höchster Anstrengung von dem kaum zehn Schritt entfernten Wege sich bis zu der ansteigenden Stelle hinaufgeschoben und hier sich, um gegen die Sonne oder vielleicht auch nachts gegen die Kälte geschützt zu sein, unter die Zweige des Busches gebettet hatte. Dann, als er sein herannahendes Ende gefühlt, hatte er sich zum Sterben zurechtgelegt, und so lag er nun da, die Jagdtasche unterm Kopf, das Gewehr links neben sich, die Hände gefaltet und im Antlitz die Ruhe des Todes, aber freilich auch die Spuren vorangegangenen Kampfes.
    Inzwischen waren auch die anderen herangekommen, und da standen sie nun erschüttert und stumm. Zuletzt nahm Gerichtsmann Klose seine Kappe vom Kopf und sagte: »Beten wir!« So verging eine Weile. Dann, als sich die Köpfe wieder bedeckt hatten, wurden auch einzelne Worte laut, und der Alte stellte zunächst zur Frage, wie man den Toten wohl am besten nach Wolfshau herabschaffe. Einen Handwagen oder auch nur eine Karre von der Hampelbaude herbeizuholen, wurde, wegen zu weiter Entfernung, abgelehnt und statt dessen beschlossen, zwei zusammengebundene Leitern als Tragbahre zu benutzen. Das geschah denn auch, und nun legte man den Toten hinauf und bedeckte sein Gesicht mit Zweigen desselben Busches, unter dem man ihn gefunden hatte. Gleich danach setzte sich der Zug in Bewegung und schritt auf den Punkt zu, wo der Querpfad in den breiten Gehängeweg einmündete.

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