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Quitt

Quitt

Titel: Quitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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unentschieden und wurde durch Opitz' Aufzeichnungen, der auf einen »Böhmischen« geraten hatte, mehr verwirrt als aufgeklärt.
    »Es war kein Böhmischer«, wiederholte Gerichtsmann Klose, der seinen ohnehin starken Verdacht gegen Lehnert durch das plötzliche Verschwinden desselben nur noch bestätigt sah; »es war kein Böhmischer, und wenn ich Bestimmung zu treffen hätte, so brächen wir in dieser Minute noch auf, um Lehnert Menz in Verhaft zu nehmen. Alles deutet auf ihn, auf ihn und keinen andern. Er hat Sonnabend sechs Uhr Wolfshau verlassen, ist das Gehänge hinaufgestiegen, und die Schulkinder haben ihn gesehen. Um acht Uhr muß er oben gewesen sein, um neun Uhr ist es geschehen, um zehn Uhr war er auf der Hampelbaude. Niemand anders ist im Wald oben betroffen worden. All das sagt genug. Zudem wissen wir, daß er noch von I870 her einen Span mit Opitz hatte, sie gönnten sich nicht so viel wie unterm Nagel, und als vorhin alles, was draußen war, in den Saal drängte, hat er immer im Hintergrunde gestanden, statt mit in vorderster Reihe zu stehen, wie doch sonst wohl seine Art ist, und als das Notizbuch von mir vorgezeigt und sein Inhalt verlesen wurde, da hat er's nicht ertragen können und ist davongegangen. Das alles hat mir den Beweis gegeben. Und ich wiederhole,
der
, der diesen Mord auf seine Seele geladen hat, ist kein anderer wie Lehnert Menz.«
    Die Mehrzahl stimmte zu. Nur der jüngere Gerichtsmann, der in einer Art Eifersucht gegen den alten Klose war, unterhielt allerlei Zweifel (oder gab es wenigstens vor) und gab diesen Zweifeln auch Ausdruck. Alles, was eben gesagt worden sei, sei, seiner Ansicht nach, viel zu schwach, um darauf hin eine Verhaftung vornehmen zu können. Es lasse sich schlechterdings nicht sagen, niemand anders sei oben im Gebirge gewesen, im Gegenteil, man wisse nie, wer oben gewesen und wer nicht. Lehnert Menz sei gescheit und umsichtig, und gerade, daß er auf der Hampelbaude vorgesprochen und genächtigt habe, das beweise sein gutes Gewissen. Auch daß er sich hier im Saal immer an der Tür gehalten und die Vorlesung der letzten Worte kaum abgewartet habe, spräche nicht so sehr gegen ihn, als es schiene, wohl aber spräche
das
für ihn, daß er der erste gewesen sei, der auf Hilfe gedrungen habe. Ja, rasche Hilfe, das sei das einzig Richtige gewesen, und er für seine Person beklage jetzt aufrichtig, daß man nicht gleich gestern abend diese Hilfe geleistet. »Mondschein war. Und vielleicht hätten wir ihn um Mitternacht noch am Leben gefunden.«
    Auch diese Rede (was den alten Klose sichtlich verstimmte) wurde beifällig aufgenommen, und weil man sich, wie das so leicht geschieht, infolge dieser immer persönlicher werdenden Fehde nicht recht einigen konnte, stand man eben auf dem Punkt, die Frage nach der Täterschaft vorläufig wenigstens ganz fallenzulassen, als der Grenzaufseher und gleich nach ihm der junge Forstgehilfe, die man beide zu weiterer Nachforschung an Ort und Stelle zurückgelassen hatte, voll großer Aufregung eintraten. Sie waren erschöpft, denn es war immer schwüler geworden: trotzdem ließ sich unschwer von ihrer Stirn lesen, daß sie gute Botschaft brächten und ihr Suchen nach einem Anhaltspunkte nicht vergeblich gewesen sei.
    »Nun, ihr Herren«, empfing sie der alte Klose mit der ihm eigenen Bonhomie. »Was bringt ihr? Aber erst einen Cognac, und dann euren Bericht! Eine Bärenhitze! Maywald, wir wollen Tür und Fenster aufmachen. So! Nun herangerückt! Und nun, ihr Herren, was gibt es?«
    Der Grenzaufseher, welcher der ältere war, nahm zunächst das Wort und erzählte mit vieler Anschaulichkeit, wie sie, nach Ausmessen der Fußspuren (denn was anderes habe sich nicht finden lassen wollen), nahe daran gewesen wären, unverrichtetersache wieder umzukehren, als sein Kamerad, und hierbei wies er auf den jungen Forstgehilfen, eines angebrannten Papierstückchens ansichtig geworden wäre, das an der abgestochenen schmalen Lehmwand des Weges geklebt hätte. Dies Papierstückchen sei, wie sie gleich vermutet, ein Schußpfropfen gewesen, was sie denn bestimmt habe, dasselbe sorglich auseinanderzufalten und zu glätten. Hier sei es und könne vielleicht zur Entdeckung des Täters führen; denn wie leicht zu sehen, sei es kein gewöhnliches Stück Zeitungspapier, sondern ein Stück von einem alten Kalender, und der Monat sei noch halb und die Jahreszahl 1816 noch ganz deutlich zu lesen. Er glaube, daß das wichtig sei; denn in demselben Hause, drin man

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