Quo Vadis
Überdruß erkennen ließ, und sagte:
„Wir werden uns deine Veranstaltungen am Teiche des Agrippa betrachten. Dann gehe ich nach Antium. Ihr seid alle kleinlich, darum versteht ihr nicht, daß ich des unendlich Großen bedarf.“
Er schloß die Augen zum Zeichen, daß er der Ruhe bedürfe, und die Anwesenden zogen sich zurück. Petronius wandte sich zu Vinicius und sagte:
„Du bist also eingeladen, an dem Vergnügen teilzunehmen. Der Feuerbart hat die Reise aufgegeben, aber er wird verrückter als je. Versuch auch du, in dieser Verrücktheit Unterhaltung und Vergessen zu finden. Gewiß, wir haben die Welt besiegt und darum ein Recht, uns zu freuen. Du, Marcus, bist ein hübscher Junge, und dem schreibe ich einen Teil der Schwäche zu, die ich für dich habe. Bei Diana von Ephesus! Könntest du doch deine zusammengezogenen Brauen und dein Angesicht sehen, das so ersichtlich das alte Blut der Quinten verrät! Jeder andere gleicht in deiner Nähe nur einem Freigelassenen. Wahrhaftig, wäre nicht jene unsinnige Religion, Lygia wäre heute in deinem Hause. Versuch noch einmal, mir zu beweisen, daß die Christen nicht Feinde des Lebens und der Menschheit sind. Sie haben gut gegen dich gehandelt, du magst ihnen dafür dankbar sein; aber ich an deiner Stelle würde jene Religion hassen und anderswo mein Vergnügen suchen. Ich wiederhole es, du bist ein hübscher Junge, und Rom ist voll geschiedener Frauen.“
„Mich wundert, daß dich nichts quält.“
„Wer sagt dir denn, daß mich nichts quält? Ich leide beständig, aber ich bin nicht in deinen Jahren. Zudem hänge ich an Dingen, für die du keinen Sinn hast. Ich liebe die Bücher, die dir gleichgültig sind; ich liebe die Poesie, die dich langweilt; ich liebe Töpferarbeiten, Edelsteine und viele andere Dinge, die du nicht anschaust; und endlich habe ich Eunike gefunden, die ihresgleichen sucht. Ich fühle mich in meinem Hause unter Meisterwerken wohl, doch aus dir wird niemals ein Mann von ästhetischem Sinn. Daß mir das Leben nichts Besseres mehr bieten kann, als ich bereits gefunden habe, dessen bin ich sicher. Du aber weißt selber gar nicht, daß du noch immer hoffen und suchen kannst. Wenn der Tod an dich herantritt, wirst du, trotz deines Mutes auf der einen und deines Grames auf der anderen Seite, darüber erstaunt sein, die Welt verlassen zu müssen; ich aber werde den Tod als eine Notwendigkeit hinnehmen mit der Gewißheit, daß das Leben nichts zu bieten vermag, was ich nicht genossen hätte. Ich eile nicht und zögere nicht, werde jedoch versuchen, bis ans Ende fröhlich zu sein. Es gibt heitere Skeptiker in der Welt. Die Stoiker sind für mich nichts als Toren; aber der Stoizismus mäßigt wenigstens die Leiden, während deine Christen Traurigkeit in die Welt bringen. Weißt du, was ich erfahren habe? Während der von Tigellinus veranstalteten Festlichkeiten am Teiche des Agrippa werden Frauen aus den ersten Häusern Roms die größten Freiheiten gestatten. Wird dort nicht auch eine Schönheit sein, die dich trösten könnte? Es werden sich dort auch Mädchen einfinden, die zum erstenmal in der Gesellschaft erscheinen – als Nymphen. So ist unser römisches Cäsarentum! Und du, Narcissus, wisse, daß keine dir widerstehen wird, keine, und wäre sie selbst eine vestalische Jungfrau.“
Vinioius begann mit einem Palmenzweig sein Haupt zu fächeln und blickte vor sich hin wie ein Mensch, der stets nur von einem einzigen Gedanken erfüllt ist.
„Ich bedürfte eines besonderen Glückes, um eine solche zu finden.“
„Und wer hätte dir das angetan, wenn nicht die Christen? Leute, deren Standarte das Kreuz ist, können mir gleichgültig sein. Höre mich! Griechenland war schön und schuf die Weisheit; wir erzeugten die Macht; und womit kann die christliche Lehre deine Gedanken bereichern? Wenn du es weißt, so erkläre dich, denn, bei Pollux, ich kann es nicht ahnen.“
„Du fürchtest, wie es scheint, daß ich am Ende noch ein Christ werde“, sagte Vinicius achselzuckend.
„Ich fürchte, daß du dein Leben selber zerstörst. Kannst du kein Grieche sein, so sei ein Römer. Gebiete und freue dich! Unsere Torheiten haben einen gewissen Sinn; sie wecken den Geschmack am Individuellen. So verachte ich den Feuerbart, weil er nichts ist als ein griechischer Komödiant. Würde er sich für einen Römer halten, so müßte ich ihm ein Recht auf seinen Wahnwitz zuerkennen. Versprich mir, daß, wenn dir auf dem Heimwege ein Christ begegnet, du ihm deine
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