Quo Vadis
Phantasie zuschanden geworden wäre, und so vielerlei Weine, daß Otho, der nur achtzig Sorten aufzustellen pflegte, beschämt ins Wasser gesprungen wäre, hätte er Zeuge dieses Festes sein können.
Außer den Frauen saßen auch die Augustianer an der Tafel. Vor allen glänzte Vinicius durch seine männliche Schönheit. Früher hatten Gestalt und Antlitz zu sehr an den Berufssoldaten erinnert; geistige und körperliche Qual aber hatten seine Züge so gemeißelt, als ob die Meisterhand eines Künstlers sie geschaffen hätte. Seine Haut hatte die dunkelbraune Färbung abgelegt und nur den gelblichen Glanz numidischen Marmors behalten. Die Augen waren größer und sinnender geworden. Der Körper besaß noch die kräftigen, wie für die Rüstung geschaffenen Formen; doch auf dem Rumpfe eines Legionärs war der Kopf eines griechischen Gottes oder wenigstens eines verfeinerten Patriziers, schön und prächtig zugleich. Wenn Petronius sagte, kein weibliches Wesen an Cäsars Hofe würde Vinicius widerstehen können oder wollen, so hatte er als erfahrener Mann gesprochen. Alle blickten auf ihn, Poppäa und die Vestalin Rubria nicht ausgenommen, die Cäsar an diesem Feste zu sehen gewünscht hatte.
In Bergschnee gekühlter Wein erhitzte bald Herz und Kopf der Zecher. Jeden Augenblick schossen Kähne in Gestalt von Heuschrecken und Schmetterlingen aus den Uferbüschen hervor. Die blaue Fläche des Teiches schien von Schmetterlingen bedeckt. Darüber hinweg flogen von Zeit zu Zeit Tauben und andere Vögel aus Indien und Afrika, an blaue und silberne Fäden gebunden. Die Sonne neigte sich dem Westen zu, doch der Tag war warm, ja heiß, obgleich der Mai noch nicht vorüber war. Der Teich schien sich unter den Schlägen der Ruder zu heben, die im Takte der Musik ins Wasser tauchten. Nicht der leiseste Lufthauch war zu spüren; die Haine waren bewegungslos, als lauschten und starrten sie auf das Treiben auf dem Teiche. Das Floß beschrieb unaufhörlich seine Kreise mit den Gästen, die immer lauter lärmten und immer wilder tranken.
Das Fest war noch nicht zur Hälfte vorüber, als die Zecher ihre Plätze vertauschten. Nero gab das Beispiel, indem er sich erhob und Vinicius, der neben der Vestalin saß, aufzustehen befahl. Er setzte sich nun dorthin und flüsterte Rubria einige Worte zu. Vinicius ließ sich neben Poppäa nieder, die ihm den Arm hinhielt und bat, ihr locker gewordenes Armband zu befestigen. Er gehorchte, wobei seine Hände etwas zitterten. Sie warf ihm unter den Lidern hervor einen – man hätte meinen können – sittsamen Blick zu und schüttelte das Haupt, wie um eine Versuchung loszuwerden.
Inzwischen verschwand die Sonne langsam hinter den Wipfeln der Bäume; die meisten Gäste waren schon betrunken. Das Floß näherte sich dem Ufer, wo zwischen Blumen und Baumgruppen Scharen von Menschen, als Faune, Satyrn, Nymphen und Dryaden verkleidet, umherstanden und auf Flöten, Pfeifen und Trommeln spielten. Dunkelheit verhüllte endlich das Floß, worauf zu Ehren Lunas wilder Lärm ertönte. Tausende von Lampen erhellten jetzt die Haine. Von den Lupanarien her winkte ein Heer von Lichtern; auf den Terrassen erschienen neue Gruppen, aus Frauen und Töchtern der vornehmsten Häuser Roms bestehend. Diese begannen durch Rufe und Gebärden Genossen anzulocken. Endlich stieß das Floß ans Ufer. Nero und die Augustianer zerstreuten sich in die Haine, in Zelte, ins Dickicht oder in künstlich zwischen Fontänen gebaute Grotten. Tollheit ergriff alle, niemand wußte, wohin Nero verschwunden war. Satyrn und Faune jagten lärmend nach Nymphen. Mit Thyrsusstäben schlug man nach den Lampen, um sie auszulöschen. Finsternis lag über gewissen Teilen des Haines. Doch überall hörte man Rufen und Lachen. Rom hatte in der Tat nie dergleichen gesehen.
Vinicius war nicht betrunken, wie damals neben Lygia an Neros Gelage. Doch war er berauscht von allem, was um ihn her geschah, so daß schließlich das Fieber des Genusses auch ihn erfaßte. Er stürzte sich in das Gehölz und begann die Jagd nach der schönsten Dryade. Ganze Scharen sprangen singend und lockend vor ihm her, von Faunen, Satyrn, Senatoren, Rittern und den Klängen der Musik verfolgt. Vinicius’ Blick fiel auf eine Gruppe von Mädchen, deren Führerin als Diana verkleidet war. Er sprang hinzu, um die Göttin näher zu sehen. Plötzlich war ihm, als ob sein Herz stillstehe; denn er glaubte, in dieser Göttin mit dem Mond auf der Stirn Lygia erkannt zu haben.
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