Quo Vadis
ich ihm sagte, wie ich dich liebte, dich zu heiraten wünschte. ‚Laß sie meine Tür mit Wolfsfett bestreichen und an meinem Herde sitzen‘, sprach ich. Er aber verlachte mich und führte den Cäsar auf die Idee, dich als Geisel zu fordern und mir zu geben. Wie oft habe ich in meiner Sorge seitdem ihm geflucht; vielleicht jedoch hat es das Schicksal so gewollt, weil ich sonst die Christen nicht kennen und dich nicht verstehen gelernt hätte.“
„Glaube mir, Marcus“, erwiderte Lygia, „Christus war es, der dich zu sich hingeführt hat.“
Vinicius erhob mit einem gewissen Erstaunen das Haupt.
„Das ist richtig!“ sagte er lebhaft. „Es fügte sich alles so wunderbar, daß ich dich suchen und die Christen finden mußte. Im Ostrianum hörte ich dem Apostel mit höchster Vewunderung zu; denn solche Worte waren bis dahin nie an mein Ohr gedrungen. Betetest du dort für mich?“
„Ja“, antwortete Lygia.
Sie gingen jetzt an dem dicht mit Efeu überwachsenen Sommerhause vorbei und näherten sich der Stelle, wo Ursus, nachdem er Kroton erwürgt, auf Vinicius gestürzt war.
„Hier“, sagte der junge Mann, „wäre ich zugrunde gegangen ohne dich.“
„Sprich nicht davon“, entgegnete Lygia, „trage es Ursus nicht nach.“
„Könnte ich dafür Rache an ihm nehmen, daß er dich verteidigte? Wäre er ein Sklave, ich hätte ihm sofort die Freiheit geschenkt.“
„Aulus würde dies schon lange getan haben.“
„Weißt du noch“, fragte Vinicius, „daß ich dich Aulus zurückgeben wollte? Du erwidertest mir, der Cäsar möchte davon hören und an Aulus und Pomponia Rache nehmen. Denke, daß du jetzt mit ihnen sein kannst, sooft du willst.“
„Wie, Marcus?“
„Ich sage ‚jetzt‘ und glaube, daß du sie gefahrlos sehen kannst, sobald du mein bist. Sollte der Cäsar davon hören und fragen, was ich mit der Geisel getan habe, die er mir gab, würde ich antworten: ‚Ich heiratete sie, und sie besucht das Haus des Aulus mit meinem Wissen.‘ Er wird nicht lange in Antium bleiben, denn er will nach Achaia, und sollte er auch bleiben, so ist es nicht nötig, daß ich täglich um ihn bin. Nachdem Paulus von Tarsus mich im Glauben unterwiesen hat, werde ich die Taufe empfangen, hierherkommen, die Freundschaft des Aulus und der Pomponia, die um diese Zeit zurückkehren werden, wiedergewinnen, und dann besteht kein Hindernis mehr, ich kann dich an meinen Herd führen. O carissima, o carissima!“
Und er hob die Hände in die Höhe, als wolle er den Himmel zum Zeugen seiner Liebe anrufen. Lygia blickte ihn mit leuchtenden Augen an und rief:
„Dann werde ich sagen: ‚Wo immer du bist, da bin ich auch.‘ “
„O Lygia“, erwiderte Vinicius, „ich schwöre dir, daß nie eine Frau im Hause ihres Gatten so geehrt wurde, wie du es sein wirst in dem meinen.“
Schweigend setzten sie ihren Weg fort – sie konnten ihr Glück kaum fassen – in gegenseitiger Liebe, schön wie zwei Gottheiten und strahlend, als hätte der Frühling sie zugleich mit seinen Blumen der Erde geschenkt. Bei der Zypresse am Eingang blieben sie stehen, und Vinicius bat mit zitternder Stimme:
„Sage Ursus, er solle zu Aulus gehen, um deine Ausstattung und das Spielzeug aus deiner Kindheit zu holen!“
Sie errötete wie eine Rose oder wie der Morgenhimmel und sagte:
„Die Sitte fordert es anders.“
„Ich weiß es. Gewöhnlich bringt die Pronuba diese Dinge nach dem Einzug der Braut ins Haus; tu es aber mir zuliebe. Ich nehme alles in meine Villa nach Antium, um dadurch an dich erinnert zu werden.“
Er faltete seine Hände und wiederholte wie ein Kind, das um etwas bittet:
„Es werden noch einige Tage verstreichen, bis Pomponia zurückkehrt; tue es, Diva, tue es, carissima!“
„Pomponia wird nach ihrem Belieben handeln“, antwortete Lygia, die bei Erwähnung der Pronuba noch tiefer errötet war; und wieder folgte Schweigen, denn die Liebe selbst schien ihren Atem anzuhalten. Lygia lehnte sich mit der Schulter an die Zypresse, deren Schatten ihr Antlitz weiß wie eine Blüte erscheinen ließ, die Augen gesenkt. Des Vinicius Züge hatten einen anderen Ausdruck, er sah angegriffen aus. In der Stille des Nachmittags hörten sie nur den Schlag ihrer Herzen; die Zypresse, das Myrtengesträuch, der Efeu um das Sommerhaus wurden für sie zu einem Paradies der Liebe. Miriam trat unter die Tür und lud sie zum Nachmittagsmahle ein. Sie setzten sich mit den Aposteln zu Tische, die voll Freude auf sie sahen als auf die junge
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