Quo Vadis
ein Bettler sein? Muß ich Lygia entsagen? Eure Worte und Werke gleichen durchsichtigem Wasser, doch was ist auf dem Grunde dieses Wassers? Ihr seht, daß ich offen spreche. Zerstreut die Dunkelheit. Man sagt mir: ‚Griechenland brachte Schönheit und Weisheit hervor, Rom schuf Macht; doch sie, die Christen, was bringen sie?‘ So sagt mir denn, was ihr bringt. Wenn Klarheit hinter dem Tore eures Glaubens wohnt, schließt es mir auf.“
„Wir bringen Liebe“, sagte Petrus.
Und Paulus fügte hinzu: „Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönend Erz oder eine klingende Schelle.“
Das Herz des Apostels rührte diese Seele, die gleich einem gefangenen Vogel nach Luft und Licht verlangte. Die Arme nach ihm ausstreckend, sprach Petrus:
„Wer anklopft, dem wird aufgetan werden. Gottes Gnade ist über dich gekommen. So segne ich denn dich und deine Liebe im Namen des Erlösers.“
Vinicius eilte bei diesem Segen auf ihn zu. Und wunderbar! Dieser Sprößling von Quiriten, der kurz zuvor keinen Ausländer als Menschen angesehen hatte, ergriff die Hand des greisen Galiläers und preßte sie dankerfüllt an seine Lippen.
Petrus war erfreut. Sein Samenkorn war auf ein fruchtbares Feld gefallen, sein Fischernetz hatte eine Seele mehr gefangen.
Die anderen Christen freuten sich nicht weniger über solche Ehrerbietung gegenüber dem Jünger des Herrn und riefen einstimmig:
„Ehre sei Gott in der Höhe.“
Strahlenden Antlitzes erhob sich Vinicius und sprach:
„Ich sehe, daß bei euch Glückseligkeit wohnt, denn ich bin glücklich und glaube, ihr seid imstande, meine übrigen Zweifel zu zerstreuen. Doch ich muß hinzufügen: nicht in Rom. Der Cäsar geht nach Antium – und ich habe den Befehl mitzugehen. Ihr wißt, daß Ungehorsam Tod bedeuten würde. Doch wenn ich in euren Augen Gnade gefunden habe, so geht mit und predigt euren Glauben. Ihr seid dort ungefährdeter als ich. Gerade bei so großen Menschenansammlungen könnt ihr an des Cäsars Hofe eure Lehre verkünden. Acte soll Christin sein, und Christen gibt es sogar unter den Prätorianern, denn ich selber sah beim Nomentanischen Tor Soldaten vor dir knien, Petrus. In meiner Villa zu Antium werden wir uns versammeln, um euren Unterricht zu hören. Glaukos sagte mir, ihr seiet bereit, um der Rettung einer Seele willen an die Grenzen der Erde zu gehen; so tut an mir das, um Christi willen, in dessen Namen ihr aus Judäa gekommen seid – tut es, nehmt euch meiner Seele an.“
Sie beratschlagten, voll Freude über den Sieg der Wahrheit und über den Eindruck, den die Bekehrung eines Augustianers und Sprößlings einer der ältesten Familien Roms auf die heidnische Welt machen würde. In der Tat, sie waren bereit, um einer Seele willen ans Ende der Welt zu wandern; seit des Meisters Tode hatten sie eigentlich kein anderes Ziel verfolgt. Eine verneinende Antwort war daher unmöglich. Petrus zwar war augenblicklich der Hirte einer großen Gemeinde und durfte nicht fort. Paulus dagegen war eben aus Aricium und Fregellae zurück und stand vor einer langen Reise in den Orient, um dort Gemeinden zu besuchen und mit neuem Eifer zu beseelen. Er erklärte sich bereit, den jungen Krieger zu begleiten. Ein Schiff zu finden, das nach griechischen Gewässern segelte, war in Antium zudem leichter.
Vinicius bedauerte zwar, daß Petrus, dem er so vieles verdankte, nicht nach Antium kommen konnte; er nahm jedoch Paulus’ Zusage mit Freuden an und wandte sich nun mit einer letzten Bitte an Petrus:
„Da ich Lygias Wohnung kenne, könnte ich vor sie treten mit der Frage, ob sie mich als Gatten nehmen wolle, sollte ich Christ werden. Allein ich will lieber dich fragen, den Apostel. Laß mich Lygia sehen oder führe mich zu ihr. Ich weiß nicht, wie lange ich in Antium bleiben muß. Vergiß nicht, daß in Neros Nähe keiner sicher auf ein Morgen zählen kann. Petronius warnte mich. Laß mich Lygia sehen, bevor ich gehe. Laß meine Augen sich an ihrem Anblick sättigen. Laß mich sie fragen, ob sie mir Böses mit Gutem vergelten will.“
Der Apostel lächelte gütig und sagte:
„Wer möchte dir eine ehrbare Freude verweigern?“
Vinicius beugte sich nochmals auf die Hände des Greises nieder. Sein Herz war zum Überfließen voll. Petrus nahm des Kriegers Haupt zwischen die Hände und sprach:
„Fürchte dich nicht vor dem Cäsar; ich sage dir, kein Haar wird von deinem Haupte fallen.“
Hierauf sandte er Miriam zu
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