Quo Vadis
Tollheit voll machen, nicht wahr? Aber was sagst du dazu, daß die herbeschiedenen Flaminen die Zeremonie feierlich vollzogen? Ich war zugegen. Ich kann wahrlich viel ertragen; dennoch gestehe ich, daß mir der Gedanke kam, wenn es wirklich Götter gäbe, müßten sie jetzt ein Zeichen tun. Doch der Cäsar glaubt nicht an die Götter und hat recht damit.“
„Er ist also Oberpriester, Gott und Gottesleugner in einer Person“, sagte Vinicius.
„Freilich“, gestand Petronius lachend. „Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Dieses Zusammentreffen ist wirklich einzig in seiner Art.“
Nach einer Pause fuhr er fort:
„Man muß beifügen, daß dieser Oberpriester, der nicht an die Götter glaubt, und dieser Gott, der die Götter verhöhnt, als Gottesleugner sich dennoch fürchtet.“
„Beweis dafür ist der Vorgang im Vestatempel.“
„Welch eine Welt!“
„Wie die Welt, so der Cäsar. Doch das kann nicht lange dauern.“
So plaudernd betraten sie Vinicius’ Haus, der fröhlich das Abendessen befahl. Zu Petronius gewendet, sagte er:
„Nein, mein Lieber, die Welt muß erneuert werden.“
„Wir werden sie nicht erneuern“, erwiderte Petronius, „schon darum nicht, weil jeder, solange Nero lebt, nur ein Schmetterling ist. Man lebt im Sonnenschein seiner Gnade und geht beim kühlen Windhauch zugrunde. Beim Sohne der Maja! Mehr als einmal habe ich mich gefragt: Durch welches Wunder konnte ein Mann wie Lucius Saturnius dreiundneunzig Jahre alt werden und den Tiberius, Caligula und Claudius überleben? Doch lassen wir das. Darf ich Eunike mit deiner Sänfte holen lassen? Meine Schlafsucht ist verflogen, und ich möchte gern vergnügt sein. Laß Zitherspieler beim Mahle sein. Hernach sprechen wir von Antium. Es ist dringend, daß wir darüber sprechen, besonders für dich.“
Vinicius ließ Eunike herholen, sagte aber, er habe keine Lust, sich über den Aufenthalt in Antium den Kopf zu zerbrechen.
„Laß jene sich den Kopf zerbrechen, die ohne den Sonnenschein kaiserlicher Gunst nicht zu leben vermögen. Der Palatin ist nicht die Grenze der Erde, besonders nicht für solche, die anderes im Herzen tragen.“
Er sagte das so sorglos und heiter, daß es Petronius auffiel. Er blickte ihn eine Zeitlang forschend an und fragte dann:
„Was geht mit dir vor? Du bist heute wie einst, da du noch die goldene Bulla am Halse trugst.“
„Ich bin glücklich“, antwortete der Tribun. „Ich lud dich absichtlich ein, um dir’s zu zeigen.“
„Was hat sich ereignet?“
„Etwas, das ich nicht um das Römische Reich hergeben würde.“
Bei diesen Worten setzte er sich, stützte den Arm auf die Sessellehne, ließ den Kopf auf der Hand ruhen und sagte:
„Erinnerst du dich noch unseres Besuches bei Aulus Plautius? Dort sahst du zum erstenmal das göttergleiche Mädchen, das du nachher Morgenröte und Frühling nanntest. Erinnerst du dich dieser Psyche, die unvergleichlich schöner als alle unsere Mädchen und Göttinnen ist?“
Petronius warf ihm einen erstaunten Blick zu.
„Von wem sprichst du?“ fragte er. „Natürlich erinnere ich mich der Lygia.“
„Ich bin ihr Verlobter.“
„Wie?“
Doch Vinicius sprang empor und rief nach dem Dispensator.
„Laß alle Sklaven bis auf den letzten vor mich treten. Schnell!“
„Du bist ihr Verlobter?“ wiederholte Petronius.
Bevor er sich von seiner Verblüffung erholen konnte, wimmelte das Atrium von Sklaven. Schwache Greise, Männer in der Vollkraft des Lebens, Frauen, Knaben, Mädchen waren da. Mit jedem Augenblick strömten neue Scharen ins Atrium; aus den Fauces, den Korridoren, drangen Rufe in verschiedenen Sprachen. Endlich hatten sie sich längs der Wände in Reihen gestellt. Vinicius stand am Impluvium und sprach zu Demas, seinem Freigelassenen:
„Wer zwanzig Jahre in meinem Hause diente, geht morgen mit mir vor den Prätor, wo er die Freiheit erhalten soll. Wer die Zeit noch nicht gedient hat, bekommt drei Goldstücke und doppelte Ration eine Woche lang. Laß in das Ergastulum senden; man soll die Strafen erlassen, die Ketten abnehmen und die Leute mit genügender Nahrung versehen. Ein Tag des Glücks, wie der heutige für mich war, soll Freude über mein Haus bringen.“
Die Sklaven trauten kaum ihren Ohren. Plötzlich erhoben alle die Arme und riefen wie aus einem Munde:
„Aa, Herr! a –a–a!“
Vinicius entließ sie mit einer Handbewegung. Obschon sie, um ihren Dank zu bezeigen, ihm gerne zu Füßen gesunken wären, eilten sie doch
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