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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Lampe beleuchtete Gesicht des Vinicius über sich sah, glaubte sie, nicht mehr auf Erden zu sein. Die Gedanken verwirrten sich in ihrem Kopfe; es kam ihr ganz natürlich vor, daß sie wegen ihrer Qualen und ihrer Schwäche irgendwo auf dem Weg zum Himmel zurückgehalten werde. Da sie jedoch keinen Schmerz fühlte, lächelte sie Vinicius zu und schien zu fragen, wo sie wären; doch nur Flüsterlaute kamen von ihren Lippen, aus denen Vinicius kaum seinen Namen hören konnte.
    Er kniete neben ihr nieder, legte seine Hand leicht auf ihre Stirn und sagte:
    „Christus rettete dich und gab dich mir zurück!“
    Ihre Lippen bewegten sich wieder in unverständlichem Flüstern; dann schlossen sich die Lider, ein leiser Seufzer hob die Brust, und sie fiel in den tiefen Schlaf, auf den der Arzt gehofft hatte und der ihr, wie er sagte, die Genesung bringen sollte.
    Vinicius verblieb kniend bei ihr und betete. Seine Seele war so in Liebe aufgegangen, daß er sich selbst völlig vergaß. Theokles kehrte oft ins Gemach zurück, und die goldhaarige Eunike erschien immer wieder hinter dem gehobenen Vorhang. Endlich kündeten die im Garten gehaltenen Kraniche den Morgen, Vinicius’ Geist aber hielt noch immer die Füße des Gekreuzigten umklammert; er sah und hörte nicht, was um ihn vorging, sein Herz war nur Danksagung, nur opferbereite Liebe, seine Wonne so groß, daß er, obwohl noch lebend, doch schon im Himmel zu sein meinte.

LXVIII
    Um den Cäsar nicht zu beleidigen, war Petronius nach Lygias Rettung mit anderen Augustianern nach dem Palatin gegangen. Er wollte hören, was man sagte, und vor allem erfahren, ob Tigellinus neue Pläne zum Verderben Lygias ins Werk setzen würde. Sie und Ursus standen zwar jetzt unter dem Schutze des Volkes, und niemand durfte Hand an sie legen, ohne einen Aufstand hervorzurufen; allein Petronius kannte den Haß des mächtigen Präfekten der Prätorianer gegen ihn und fürchtete, Tigellinus würde sich an seinem Neffen rächen, da er Petronius nicht direkt zu schaden vermochte.
    Nero war gereizt und zornig, weil das Schauspiel so ganz anders, als geplant war, geendet hatte. Erst wollte er Petronius gar nicht sehen; dieser jedoch trat kühlen Blutes zu ihm und sagte mit der ganzen Freiheit des Arbiter elegantiarum:
    „Weißt du, Gottheit, was mir in den Sinn gekommen ist? Schreibe ein Gedicht auf die Jungfrau, die auf Befehl des Herrn der Welt von den Hörnern eines wilden Stieres gerettet und ihrem Geliebten zurückgegeben wurde. Die Griechen sind feinfühlig; dies Gedicht wird sie sicher bezaubern.“
    Der Gedanke gefiel Nero trotz all seines Ärgers; er gefiel ihm als Fabel für eine Dichtung, dann aber auch deshalb, weil er sich selber darin als den Herrn der Welt feiern konnte. Er blickte Petronius eine Weile lang an und sagte:
    „Ja, du hast vielleicht recht. Doch geziemt es sich für mich, meine eigene Güte zu verherrlichen?“
    „Es braucht darin kein Name genannt zu werden. In Rom weiß jeder, wer gemeint ist, und Gerüchte haben einen schnellen Flug.“
    „Und du bist überzeugt, daß es dem Volke in Achaia gefallen wird?“
    „Bei Pollux, ja!“ sagte Petronius.
    Zufrieden entfernte er sich. Er wußte, daß Nero, dessen ganzes Trachten darin bestand, die Wirklichkeit für seine Dichtungen umzumodeln, das Thema aufgreifen würde; dadurch waren Tigellinus die Hände gebunden. Allein dies änderte den Plan des Petronius nicht, Vinicius aus Rom fortzusenden, sobald Lygias Zustand es erlauben würde.
    Als er ihn am nächsten Tage zu sehen bekam, sagte er:
    „Nimm sie nach Sizilien! Wie die Sachen stehen, droht dir von Seiten Neros nichts. Doch Tigellinus ist fähig, selbst zu Gift seine Zuflucht zu nehmen, wenn nicht aus Haß gegen euch beide, dann aus Haß gegen mich.“
    Vinicius lächelte.
    „Sie war auf dem Rücken des wilden Stieres, und doch hat Christus sie gerettet.“
    „So ehre ihn mit einer Hekatombe“, erwiderte Petronius mit einem Zeichen von Ungeduld. „Doch bitte ihn nicht, sie ein zweites Mal zu retten. Erinnerst du dich, wie Äolus Ulysses empfing, als dieser zurückkehrte, um ein zweites Mal günstige Winde zu erbitten? Gottheiten lieben es nicht, sich zu wiederholen.“
    „Wenn sie wieder gesund ist, will ich sie zu Pomponia Graecina bringen“, sagte Vinicius.
    „Und du wirst um so besser daran tun, als eben Pomponia krank ist; ich weiß es von Antistius, einem Verwandten des Aulus. Inzwischen werden Dinge geschehen, die dich beim Volke in Vergessenheit

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