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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Stadt. Der Zirkus war geschlossen, doch bewahrte man die gefangenen Christen für künftige Spiele auf oder strafte sie besonders ab. Obgleich niemand in Rom mehr glaubte, daß die Christen den Brand veranlaßt hätten, wurden sie doch als Feinde der Menschheit und des Staates erklärt, und das Edikt gegen sie blieb in Kraft.
    Der Apostel Petrus getraute sich lange nicht, im Hause des Petronius zu erscheinen; eines Abends jedoch zeigte Nazarius seinen Besuch an. Lygia, die nun so weit hergestellt war, daß sie allein zu gehen vermochte, und Vinicius eilten hinaus, ihn zu empfangen und seine Füße zu umfassen. Wenige Schafe jener Herde, über die Christus ihn gesetzt und deren Geschick sein großes Herz betrübte, waren ihm geblieben; darum begrüßte er die beiden mit um so größerer Bewegung.
    Als Vinicius zu ihm sprach: „Herr, um deinetwillen hat der Erlöser sie mir zurückgegeben“, antwortete er: „Um deines Glaubens willen gab er sie zurück, und damit nicht jeder Mund schweige, der seinen Namen bekennt.“
    Offenbar gedachte er dabei der Tausende seiner Kinder, die von wilden Tieren zerrissen worden waren, jener Kreuze, die die Arena gefüllt hatten, jener Feuersäulen in den Gärten des „Tieres“, denn er sprach jene Worte mit tiefer Trauer. Vinicius und Lygia entging es auch nicht, daß sein Haar vollständig weiß geworden, seine Gestalt gebeugt war, sein Antlitz so viel Gram und Schmerz widerspiegelte, als hätte er selbst alle Martern erlitten, die Neros Wut und Wahnwitz den Christen angetan. Beide verstanden aber auch, daß, weil Christus sich der Marter und dem Tode hingegeben, sein Jünger sich dem nicht entziehen dürfe. Der Anblick des durch Jahre, Arbeit und Sorge gebeugten Apostels schmerzte ihre Herzen. Vinicius beabsichtigte, Lygia bald nach Neapel zu bringen, wo sie mit Pomponia zusammentreffen würden, und dann die Reise nach Sizilien fortzusetzen; er bat deshalb den Apostel, Rom mit ihnen zu verlassen.
    Der Apostel legte seine Hand auf das Haupt des Tribuns und sagte:
    „In meinem Innern höre ich die Worte des Herrn, die er am See Tiberias zu mir gesprochen hat: ‚Als du noch jung warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wohin du wolltest; wenn du aber alt sein wirst, wirst du deine Hand ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst.‘ Darum ist es billig, daß ich meiner Herde folge.“
    Und als sie schwiegen, weil sie den Sinn seiner Rede nicht verstanden, setzte er hinzu:
    „Meine Arbeit nähert sich ihrem Ende; nur im Hause des Herrn werde ich meine Wohnung und meine Ruhe finden.“
    Dann wandte er sich nochmals zu ihnen und sprach:
    „Vergeßt mich nicht; denn ich habe euch geliebt wie ein Vater seine Kinder; und was immer ihr tut, tut alles zur Ehre Gottes.“
    Bei diesen Worten erhob er seine zitternden Hände und segnete sie; die beiden erwiesen ihm alle nur erdenkliche Liebe in dem Bewußtsein, daß dies der letzte Segen war, den er ihnen erteilte. Indes sollten sie ihn noch einmal sehen.
    Nach einigen Tagen kam Petronius mit schrecklichen Nachrichten vom Palatin. Es war dort entdeckt worden, daß einer der Freigelassenen Neros ein Christ sei; bei ihm hatten sich Briefe der Apostel Petrus und Paulus, Briefe von Jakobus, Johannes und Judas gefunden. Tigellinus hatte früher schon den Aufenthalt des Petrus in Rom erfahren, meinte aber, er sei mit vielen anderen Bekennern aus dem Leben geschieden. Jetzt wurde es bekannt, daß die beiden Häupter des neuen Glaubens noch lebten und in der Hauptstadt seien. Darum beschloß man, sie unter allen Umständen festzunehmen, in der sicheren Annahme, damit die verhaßte Sekte bis zur letzten Wurzel auszurotten. Petronius hatte von Vestinus gehört, der Cäsar habe befohlen, Petrus und Paulus innerhalb von drei Tagen in das Mamertinische Gefängnis einzuliefern; ganze Abteilungen Prätorianer seien ausgesandt, um jedes Haus jenseits des Tibers zu durchsuchen.
    Vinicius beschloß, sofort den Apostel von der ihm drohenden Gefahr in Kenntnis zu setzen. Am Abend legten er und Ursus gallische Mäntel um und begaben sich zu Miriams Haus auf der anderen Seite des Tibers am Fuße des Janikulus. Unterwegs sahen sie Soldaten im Begriff, Häuser zu umstellen und unbekannte Personen wegzuführen. Das ganze Stadtviertel war in Unruhe, an manchen Orten hatten sich Scharen Neugieriger gesammelt. Die Hauptleute stellten zuweilen an die Gefangenen Fragen, die sich auf Simon Petrus und Paulus von Tarsus

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