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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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mich hierher und ließest mich deine Stadt in der Höhle des Tieres suchen?‘ Die dreiunddreißig Jahre nach dem Tode des Meisters sahen mich in steter Arbeit. Den Stab in der Hand, zog ich durch die Welt und verkündete ihr die Frohe Botschaft. Durch Reisen und Beschwerden erschöpft, kam ich in diese Stadt, die erste der Welt. Nachdem ich hier das Werk meines Meisters gefestigt hatte, brauste ein blutiger Sturm darüber hin. Ich sehe, der alte Kampf muß neu begonnen werden. Und welch ein Kampf! Auf der einen Seite der Cäsar, der Senat, das Volk, die Legionen, welche die Welt mit eisernem Gürtel umspannen, zahllose Städte, Länder, eine so große Macht, daß sie größer nicht gedacht werden kann. Auf der anderen Seite ich, vom Alter gebeugt, von der Arbeit gebrochen, so schwach, daß die zitternde Hand kaum mehr den Stab zu halten vermag. Kann ich berufen sein, mich mit dem römischen Cäsar zu messen? Das kann nur Christus.“
    Alle diese Gedanken gingen durch sein sorgenschweres Haupt, als er die Bitten des letzten Restes der Gläubigen hörte. Diese, sich immer dichter um ihn drängend, wiederholten mit flehender Stimme:
    „Verbirg dich, Rabbi! Führe uns weg aus der Gewalt des Tieres!“ Endlich wandte auch Linus sein zermartertes Haupt ihm zu.
    „O Herr“, sprach er, „der Erlöser befahl dir, seine Schafe zu weiden; aber sie sind nicht länger hier, ja morgen schon werden sie von dannen ziehen. Gehe darum dahin, wo du sie noch finden kannst. Das Wort Gottes wird noch gehört in Jerusalem, Antiochia, Ephesus und anderen Städten. Zu was diente dein fernerer Aufenthalt in Rom? Wenn du fällst, so vermehrst du damit nur den Triumph des Tieres. Der Herr hat die Lebensgrenze des Johannes nicht bestimmt. Paulus ist ein römischer Bürger, er kann ohne Verhör nicht verurteilt werden. Wenn aber die Macht der Hölle sich gegen dich erhebt, o Lehrer, dann werden die entmutigten Herzen sprechen: ‚Wer ist noch über Nero? Du bist der Fels, auf dem die Kirche Gottes gebaut ist. Wir wollen sterben, aber mache du dem Antichrist den Sieg nicht leichter über den Statthalter Gottes und kehre nicht hierher zurück, bis der Herr den zermalmt hat, der unschuldiges Blut vergoß.‘ “
    „Sieh unsere Tränen“, wiederholten alle Anwesenden.
    Tränen überflossen auch das Gesicht des Petrus. Nach einer Weile erhob er sich, breitete seine Hände über die Knienden aus und sprach:
    „Der Name des Herrn sei gebenedeit! Sein Wille geschehe!“

LXX
    Früh am nächsten Morgen bewegten sich zwei dunkle Gestalten die Appische Straße entlang, der Campania zu. Die eine war Nazarius, die andere Petrus, der Apostel, im Begriff, Rom und seine gemarterten Glaubensbrüder zu verlassen. Im Osten erschien am Himmel ein grüner Streifen, dessen unterer Rand sich allmählich safrangelb färbte. Silberblättrige Bäume, der weiße Marmor stolzer Villen und die Bogen der sich über die Ebene nach der Stadt hinziehenden Aquädukte tauchten auf aus den Schatten. Der grüne Streifen im Osten hellte sich mehr und mehr auf und färbte sich golden. Rosiges Licht küßte die Albanerberge, die wunderbar lilienfarben, wie aus lauter Lichtstrahlen gebildet, herübergrüßten. Zitterndes Laub und Tautropfen empfingen die ersten Sonnenstrahlen und sandten sie glitzernd zurück. Dünner und dünner wurde der Morgennebel und enthüllte die Felder und Häuser, die Friedhöfe, Städte und zwischen Baumgruppen versteckten Tempel.
    Die Straße war leer. Die Dorfbewohner, die Rom mit Gemüse versahen, waren offenbar noch nicht unterwegs. Die Steine, womit der Weg bis zu den Bergen gepflastert war, hallten dumpf unter den Borkenschuhen der beiden Wanderer.
    Dann stieg die Sonne selbst hinter der Hügellinie herauf. Doch eine wunderbare Erscheinung fesselte die Augen des Apostelfürsten. Ihm schien, als steige die goldene Sonne, statt ihrer Himmelsbahn zu folgen, nieder aus der Höhe und wandle den Weg entlang auf ihn zu. Petrus blieb stehen und fragte:
    „Siehst du jenen Glanz, der sich uns nähert?“
    „Ich sehe nichts“, erwiderte Nazarius.
    Petrus beschattete mit der Hand seine Augen und sagte nach einer Weile:
    „Eine Gestalt kommt im Glanz der Sonne auf uns zu.“
    Doch nicht das leiseste Geräusch von Schritten ließ sich hören. Totenstille herrschte ringsum. Nazarius sah bloß die entfernten Bäume zittern, als würden sie von einer Hand geschüttelt. Die Ebene ward lichter und lichter. Erstaunt blickte der junge Mann auf den

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