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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Apostel.
    „Rabbi! Was fehlt dir?“ rief er bestürzt.
    Der Pilgerstab entfiel Petrus, starr blickten seine Augen nach vorn. Sein Mund stand offen, Staunen, Seligkeit, Entzücken strahlten aus dem greisen Antlitz.
    Plötzlich warf er sich mit ausgestreckten Armen auf die Knie, ein Schrei drang über seine Lippen:
    „Christus! Christus!“
    Und er fiel auf das Angesicht nieder, als küsse er jemandes Füße.
    Nach langem Schweigen entrangen sich der schluchzenden Brust des Apostels die Worte:
    „Quo vadis, Domine? – Herr, wohin gehst du?“
    Nazarius hörte keine Antwort, doch an Petrus’ Ohr drang eine traurige, geliebte Stimme:
    „Ich gehe nach Rom, wenn du mein Volk verlassest, um noch einmal gekreuzigt zu werden.“
    Das Antlitz des Apostels lag im Staube. Nazarius hielt ihn für ohnmächtig oder tot. Doch er stand endlich auf, griff mit zitternder Hand nach dem Stabe und wandte sich wortlos den sieben Hügeln Roms zu.
    Der junge Mann folgte, indem er wie ein Echo wiederholte:
    „Quo vadis, Domine?“
    „Nach Rom“, sagte der Apostel leise.
    Und er ging zurück.
    Staunend empfingen ihn Paulus, Johannes, Linus und die anderen Gläubigen. Ihr Schrecken war um so größer, als bei Tagesgrauen, unmittelbar nach seinem Fortgehen, Prätorianer das Haus Miriams umringt und nach dem Apostel durchsucht hatten. Doch auf alle Fragen gab Petrus nur die eine von tiefster Freude durchdrungene Antwort:
    „Ich habe den Herrn gesehen.“
    Am Abend des gleichen Tages lehrte er im Ostrianum und taufte jeden, der im Wasser des Lebens sich reinigen wollte.
    Von nun an ging er täglich dorthin, und mit ihm eine immer mehr wachsende Schar. Es war, als ob aus jeder Träne eines Märtyrers neue Christen geboren würden, als ob jeder Seufzer in der Arena in tausend Herzen ein Echo finde. Der Cäsar schwamm in Blut; Rom und die ganze heidnische Welt waren wie toll. Die aber, die unter all den Greueln und Schandtaten zu leiden hatten, die man mit Füßen trat, deren Leben Elend und Unterdrückung war, all die Mühseligen und Beladenen kamen und hörten die Frohe Botschaft Gottes, der aus Liebe zur sündigen Menschheit sich hatte ans Kreuz schlagen lassen.
    Indem sie einen Gott fanden, den sie lieben konnten, fanden sie das, was die Gesellschaft jener Zeit nie zu geben vermocht hatte: Glück und Liebe.
    Petrus erkannte, daß weder der Cäsar noch alle seine Legionen die lebendige Wahrheit überwältigen würden, weder mit Tränen noch mit Blut, und daß sie nun ihren Siegeslauf beginne. Er begriff, weshalb der Herr ihn zurückgesandt hatte. Dieses Rom des Stolzes, des Verbrechens, der Zügellosigkeit und Gewalt begann sein Rom zu werden, eine zweifache Hauptstadt, von der die Herrschaft über die Seelen ausgehen sollte.

LXXI
    Doch die Stunde für die beiden Apostel war gekommen. Um gleichsam das ihm aufgetragene Werk zu krönen, sollte der Fischer des Herrn sogar im Gefängnis noch zwei Seelen gewinnen. Die Prätorianer Processus und Martinianus, die ihn bewachten, empfingen durch ihn die Taufe. Der Augenblick der Marter nahte. Nero war gerade nicht in Rom. Das Urteil war von Helios und Polythetes, zwei Freigelassenen, gefällt worden, denen der Cäsar während seiner Abwesenheit von Rom die Regierung der Stadt anvertraut hatte.
    Über den bejahrten Apostel hatte man die vom Gesetz vorgeschriebenen Rutenstreiche verhängt; den folgenden Tag sollte er aus den Stadtmauern nach dem Vatikanischen Hügel geführt werden, um dort den Kreuzestod zu erleiden. Die Soldaten staunten über die vor dem Gefängnis versammelte Menge, denn nach ihrem Dafürhalten konnte der Tod eines gewöhnlichen Mannes, und noch dazu eines Fremden, kein großes Interesse erregen; sie wußten nicht, daß die Menge nicht aus Neugierigen, sondern aus Bekennern bestand, denen es eine Herzensangelegenheit war, den großen Apostel auf den Hinrichtungsplatz zu begleiten. Am Nachmittag öffneten sich die Gefängnistore, und Petrus erschien, von einer Abteilung Prätorianer umgeben. Die Sonne hatte sich schon etwas gegen Ostia geneigt, der Tag war schön, kein Lüftchen regte sich. Wegen seines Alters ließ man Petrus das Kreuz nicht selber tragen. Er war fessellos, damit er nicht zu langsam ginge. So konnte er unbehindert schreiten, und die Gläubigen konnten ihn gut sehen. Als sich sein weißes Haupt zwischen den eisernen Helmen der Soldaten zeigte, hörte man leises Aufschluchzen, das jedoch sofort wieder unterdrückt wurde; denn auf dem Antlitz des Greises lag so

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