Quo Vadis
schritten wankenden Fußes durchs Triclinium, während wieder andere auf Polstern lagen und schnarchten oder das Übermaß des Weines erbrachen. Aus dem goldenen Netze fielen Rosen um Rosen auf diese betrunkenen Konsuln und Senatoren, auf diese betrunkenen Patrizier, Philosophen und Poeten, auf diese betrunkenen Tänzerinnen und Patrizierinnen, auf diese zwar noch allmächtige, aber bis ins Mark morsche, entartete und untergehende Gesellschaft.
Draußen aber hatte schon die Dämmerung begonnen.
VIII
Keiner hielt Ursus auf, keiner fragte auch nur nach seinem Tun. Die Gäste, die nicht unter dem Tisch lagen, waren nicht mehr auf ihren Plätzen; als daher die Diener Ursus einen Gast hinausführen sahen, hielten sie ihn für einen seine betrunkene Herrin heimbegleitenden Sklaven. Überdies war Acte dabei, deren Gegenwart jeden Verdacht zerstreute.
So gelangten sie aus dem Triclinium in das anstoßende Gemach und von da in den zu Actes Wohnung führenden Gang. Lygia hatte ihre Kraft so vollkommen verloren, daß sie wie leblos an Ursus’ Arm hing. Als jedoch die kühle, reine Morgenluft sie anwehte, schlug sie die Augen auf. Der Himmel wurde immer heller. Nachdem die drei eine Zeitlang längs der Säulenreihe gegangen waren, bogen sie gegen einen Seitenportikus ab, von wo sie nicht den Hofraum, sondern den Palastgarten betraten; die Wipfel der Pinien und Zypressen erglühten bereits im Morgenrot. Dieser Teil des Palastes war unbewohnt, so daß das Echo der Musik und der Lärm des Gelages immer verschwommener an ihr Ohr drangen. Lygia glaubte sich aus der Hölle gerettet und in Gottes freie Welt hinausgetragen. Es gab also noch etwas außer jenem abscheulichen Triclinium; es gab einen Himmel, Morgenrot, Licht und Frieden. Das Mädchen brach in plötzliches Weinen aus und sagte schluchzend, auf den Arm des Riesen gestützt:
„Laß uns heimgehen, Ursus, heim zu Aulus.“
„Laß uns gehen!“ antwortete der Lygier.
Sie gelangten nun in das kleine Atrium vor Actes Gemächern. Ursus führte Lygia an eine Marmorbank gegenüber dem Brunnen. Acte bemühte sich, sie zu beruhigen; sie riet ihr zu schlafen und erklärte, für den Augenblick drohe keine Gefahr, da die betrunkenen Gäste bis in den Abend hinein schlafen würden. Lange konnte Lygia ihre Angst nicht meistern, und sie wiederholte, mit den Händen die Schläfen pressend, wie ein Kind:
„Nach Hause, zu Aulus und Pomponia!“
Ursus war dazu bereit. An den Toren standen zwar Prätorianer, doch er wollte vorbeikommen. Die Soldaten würden ausgehende Leute nicht aufhalten. Der Platz vor dem Torbogen wimmelte von Sänften, und Gäste strömten in Scharen hinaus. Niemand würde sie anhalten. Sie brauchten sich nur unter das Gedränge zu mischen und geradewegs heimzugehen. Was bekümmerte ihn das? Er vollführte den Befehl seiner Fürstin, dafür war er hier.
„Laß uns gehen, Ursus“, sagte Lygia.
Acte mußte sie zur Vernunft zurückbringen. Sie würden freilich hinausgelangen, sagte sie, ohne angehalten zu werden. Aber es sei nicht erlaubt, aus des Cäsars Hause zu entfliehen; wer es tue, verletze die Majestät. Sie könnten gehen; doch am Abend würde ein Zenturio das Todesurteil zu Aulus und Pomponia bringen, Lygia würde abermals in den Palast geführt und wäre rettungslos verloren. Falls Aulus und seine Frau sie unter ihr Dach aufnähmen, erwarte beide mit Bestimmtheit der Tod.
Lygia ließ die Arme sinken. Es gab keinen Ausweg, nur die Wahl zwischen ihrem Verderben oder dem des Plautius. Als sie zum Feste ging, hatte sie gehofft, Petronius und Marcus würden sie von Nero losbitten und zu Pomponia zurückbringen; und nun wußte sie sich auf deren Anstiften hin aus dem Hause des Aulus entführt. Es gab keine Hilfe. Nur ein Wunder konnte sie vor dem Abgrund retten – ein Wunder und die Allmacht Gottes.
„Acte“, sagte sie voll Verzweiflung, „hast du gehört, wie Marcus gestand, der Cäsar habe mich ihm geschenkt und er werde mich diesen Abend durch Sklaven abholen lassen?“
„Ich hörte es“, war Actes Antwort. Dann schwieg sie; die Verzweiflung Lygias fand keinen Widerhall in ihr. War sie doch selbst Neros Geliebte gewesen. Ihr Herz war gut, sie konnte aber die Schmach eines solchen Verhältnisses nicht einsehen. Als frühere Sklavin hatte sie sich zu sehr an die Gesetze der Sklaverei gewöhnt, und überdies liebte sie Nero immer noch. Kehrte er zurück zu ihr – sie würde ihm glückselig die Arme entgegenstrecken. Sie begriff vollkommen, daß
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