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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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des kaiserlichen Palastes. Wiederum hatte das Tor zwischen ihr und dem Lichte sich ein wenig geöffnet; doch sie fühlte sogleich, wie unwürdig sie sei, die Schwelle zu betreten.

IX
    Lygia grämte sich, Pomponia Graecina, die sie aus ganzer Seele liebte, zu verlieren, und sie sorgte sich um das Haus des Aulus; doch ihre Sorge ging vorüber. Sie fühlte gerade in dem Gedanken, daß sie Überfluß und Behaglichkeit für die erkannte Wahrheit opfere und damit ein ihr bis jetzt unbekanntes und unstetes Leben beginne, eine gewisse Wonne. Vielleicht lag darin auch etwas kindliche Neugier, wie dies Leben sich wohl gestalten würde in fernen Ländern, unter wilden Tieren und Barbaren. Mehr jedoch war es der tiefe und vertrauensvolle Glaube, daß sie bei dieser Handlungsweise dem Befehl ihres göttlichen Meisters folge und er deshalb selber über sie, als über sein gehorsames und gläubiges Kind, wachen werde. Was konnte ihr da noch schaden? Leiden wollte sie, wollte in seinem Namen dulden; wenn der Tod sie plötzlich ereilte, würde er sie zu sich nehmen, und einst, wenn Pomponia stürbe, würden sie vereint sein für die ganze Ewigkeit.
    Als sie noch im Hause des Aulus weilte, quälte sie oft ihren kindlichen Geist damit, daß sie, eine Christin, nichts tun könnte für jenen Gekreuzigten, von dem Ursus mit so großer Zärtlichkeit sprach. Aber nun war der Augenblick hierzu gekommen. Lygia fühlte sich fast glücklich und begann von ihrem Glück zu Acte zu sprechen, die sie freilich nicht verstehen konnte. Alles zu verlassen: Heim, Reichtum, die Stadt, die Gärten, die Tempel, die Hallen, alles, was schön war, ein sonniges Land verlassen und ein großes Volk – und zu welchem Zweck? Um sich zu verbergen vor der Liebe eines jungen und stattlichen Ritters! Acte konnte es nicht begreifen. Mitunter fühlte sie, daß Lygias Handlungsweise recht sei, daß in dem Mädchen ein unendliches, geheimnisvolles Glücksgefühl wohnen müsse; aber sie konnte sich keine klare Rechenschaft von der Sache geben, besonders da Lygia nun ein Wagestück vor sich hatte, das ein schlimmes Ende nehmen, bei dem sie möglicherweise ihr Leben verlieren konnte. Acte, von Natur aus furchtsam, dachte mit Schrecken daran, was der kommende Abend bringen würde. Doch sie war nicht geneigt, ihre Befürchtungen Lygia mitzuteilen. Indes, als es Tag war und die Sonne ins Atrium blickte, begann sie Lygia zu überreden, nach einer schlaflosen Nacht sich die nötige Ruhe zu gönnen. Lygia weigerte sich nicht, und beide gingen zum Cubiculum, das wegen der früheren Beziehungen Actes zum Cäsar geräumig und mit allem Luxus versehen war. Hier legten sie sich nebeneinander nieder, doch Acte konnte trotz ihrer Müdigkeit nicht schlafen. Seit langer Zeit war sie traurig und unglücklich, dazu jetzt noch von einer gewissen Unruhe ergriffen, die sie nie zuvor gefühlt hatte.
    Ihre Verwirrung nahm zu. Wieder schien die Tür zum Lichte sich zu öffnen und zu schließen. Aber in dem Augenblick, als sie sich auftat, wurde sie von jenem Lichte so geblendet, daß sie nichts deutlich sehen konnte. Sie ahnte nur, daß dort ein besonderes Glück verborgen liege, ein Glück über alles Maß, ein Glück, daß jedes andere als nichtig erscheinen lasse, so daß, wenn der Cäsar Poppäa verstoßen und sie, Acte, wieder lieben würde, selbst dies dagegen nur ein geringeres Glück wäre. Plötzlich kam ihr der Gedanke, daß der Cäsar, den sie liebte, den sie unwillkürlich für eine Art Halbgott hielt, so erbarmungswürdig wie irgendein Sklave und daß dieser Palast mit Säulen aus numidischem Marmor nicht besser als ein Steinhaufen sei. Zuletzt jedoch begannen wieder jene dunklen Gefühle sie zu quälen; sie bedurfte des Schlafs, aber die Unruhe ließ sie keinen Schlummer finden.
    Sie dachte, Lygia, die von so zahlreichen Gefahren bedroht war, könne gewiß auch nicht schlafen, und wandte sich deshalb zu ihr hin, um von der Flucht am Abend zu sprechen.
    Aber Lygia schlief ruhig. In den dunklen Schlafraum drangen durch den nicht sehr eng zusammengezogenen Vorhang einige helle Strahlen. In diesem Licht sah Acte das feine Antlitz Lygias auf dem entblößten Arme ruhen, ihre geschlossenen Augen und den leicht geöffneten Mund. Sie atmete regelmäßig, wie es im Schlaf geschieht.
    „Sie schläft, sie kann schlafen“, dachte Acte, „sie ist noch ein Kind.“
    Nach einer Weile dachte sie darüber nach, warum dieses Kind lieber die Flucht wähle als die Geliebte des Vinicius zu werden,

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