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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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warum sie die Entsagung dem Einzug in ein vornehmes Haus, den Kleidern, Juwelen, Festen, dem Klange der Lauten und Zithern vorziehe.
    Warum?
    Und sie starrte auf Lygia, als ob sie Antwort in deren schlafendem Gesicht finden wollte. Sie betrachtete ihre klare Stirn, den sanften Schwung ihrer Brauen, ihre dunklen Flechten, ihre leicht geöffneten Lippen, ihre von leisem Atem sich hebende Brust; dann dachte sie wieder:
    „Wie anders ist sie doch als ich!“
    Lygia erschien ihr ein Wunder, ein Liebling der Götter, eine Art göttlicher Erscheinung, hundertmal schöner als alle Blumen im Garten des Cäsars, als alle Bildsäulen in dessen Palast. Aber das Herz der Griechin kannte keinen Neid, im Gegenteil, bei dem Gedanken an die dem Mädchen drohenden Gefahren erfaßte sie tiefes Mitleid. Ein gewisses mütterliches Fühlen stieg in ihr auf. Lygia erschien ihr nicht nur schön, sondern auch sehr liebenswert; sie beugte sich zu ihr und drückte ihre Lippen auf das dunkle Haar.
    Und Lygia schlief so sanft wie daheim unter der Fürsorge von Pomponia Graecina. Sie schlief außergewöhnlich lange. Mittag war vorüber, als sie ihre blauen Augen öffnete und mit Erstaunen im Schlafgemach umhersah. Augenscheinlich wunderte sie sich, daß sie nicht in Aulus’ Hause war.
    „Du bist es, Acte?“ sagte sie zuletzt, als sie im Halbdunkel das Angesicht der Griechin erblickte.
    „Ich bin es, Lygia.“
    „Ist es Abend?“
    „Nein, Kind, Mittag ist erst vorüber.“
    „Und ist Ursus nicht zurück?“
    „Ursus sagte nicht, daß er zurückkehren werde, vielmehr, daß er am Abend mit Christen der Sänfte auflauern wolle.“
    Dann verließen sie das Cubiculum und gingen zum Bade, wo Acte Lygia bediente; dann lud sie Lygia zum Frühstück und darauf in die Gärten des Palastes ein, in denen eine gefährliche Begegnung nicht zu befürchten war, weil der Cäsar und seine bevorzugten Günstlinge noch schliefen. Zum erstenmal in ihrem Leben sah Lygia jene herrlichen Gärten voll Pinien, Zypressen, Eichen, Olivenbäumen und Myrten, zwischen denen da und dort große Gruppen von Bildsäulen sich zeigten. Ruhig glänzten die Spiegel der Teiche, herrlich blühten die Rosen in dichten Hainen, benetzt von den herabfallenden Wassern der Springbrunnen; reizende Grotten, geschmückt mit Efeu oder Wein, luden zum Besuche ein. Silberfarbene Schwäne zogen auf dem Wasser dahin; zahme Gazellen aus Afrikas Wüsten und buntfarbige Vögel aus allen Ländern der Erde bewegten sich zwischen Bildsäulen und Bäumen.
    Die Gärten waren leer, nur da und dort arbeiteten Sklaven, den Spaten in der Hand, mit gedämpfter Stimme singend; andere, denen ein Augenblick der Ruhe vergönnt war, saßen bei den Teichen oder im Schatten der Haine in dem zitternden Licht, das die im Laubwerk sich brechenden Sonnenstrahlen erzeugten, wieder andere begossen die Rosen oder die zart lilafarbenen Safranblüten. Acte und Lygia wandelten lange umher, all die Wunder des Gartens betrachtend, und obwohl Lygias Geist nicht ruhig war, war sie doch zu sehr Kind, um der Neugier und der Freude am Staunen und Bewundern zu widerstehen. Es kam ihr sogar der Gedanke, daß, wenn der Cäsar gut wäre, er recht glücklich sein müßte in solchem Palast und mit solchen Gärten. Etwas ermüdet ließen sich die Frauen auf eine Bank nieder, die fast vollständig durch dichte Zypressen versteckt war, und begannen von dem zu reden, was ihre Herzen am meisten beschwerte, nämlich von Lygias Flucht am Abend. Acte versprach sich davon viel weniger Erfolg als Lygia; zuweilen erschien ihr das Unternehmen geradezu unsinnig; sie glaubte kaum, daß es einen guten Ausgang nehmen könne. Ihr Mitleid mit Lygia wuchs; viel sicherer, glaubte sie, wäre es, persönlich auf Vinicius einzuwirken. Nach einer Weile erkundigte sie sich bei Lygia, wie lange sie mit ihm bekannt wäre und ob sie nicht denke, daß er sich dahin bringen ließe, sie Pomponia zurückzugeben.
    Doch Lygia schüttelte traurig ihr Haupt.
    „Nein. In Aulus’ Hause ist Vinicius anders gewesen, sehr gut; aber seit dem gestrigen Feste fürchte ich mich vor ihm und will lieber zu den Lygiern fliehen.“
    „Also in Aulus’ Hause war er dir teuer“, forschte Acte, „ist es nicht so?“
    „Er war es mir“, antwortete Lygia, das Haupt neigend.
    „Und du warst keine Sklavin wie ich“, sagte Acte nach einem Augenblick des Nachdenkens. „Vinicius könnte dich heiraten, denn du bist eine Geisel und eine Tochter des Lygierkönigs. Aulus und Pomponia

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