Quo Vadis
geben?“
„Es ist so, Herrin, Vinicius soll heute nach mir senden; aber du bist gut, habe Mitleid mit mir!“
Als sie dies gesagt hatte, kniete sie nieder, und indem sie den Saum von Poppäas Gewand erfaßte, wartete sie klopfenden Herzens auf ihr Wort. Poppäa sah sie eine Weile an, ein böses Lächeln überflog ihr Gesicht, und sie sprach:
„Ich verspreche dir, daß du noch heute die Sklavin des Vinicius werden sollst!“
Und sie ging wie ein schönes, aber böses Traumbild. Lygia hörte nur noch das Kind, das jetzt zu schreien begann.
Ihre Augen waren mit Tränen gefüllt; aber nach einer Weile nahm sie Actes Hand und sagte:
„Kehren wir zurück; Hilfe ist nur von dort zu erwarten, woher sie in Wahrheit kommen kann.“
Und sie kehrten zum Atrium zurück, das sie diesen Abend nicht verließen. Als die Dunkelheit gekommen war und die Sklaven große Fackeln hereinbrachten, waren beide Frauen sehr blaß. Ihre Unterhaltung stockte jeden Augenblick. Beide lauschten, um zu hören, ob jemand käme. Lygia wiederholte immer wieder, daß, obwohl es sie schmerze, Acte verlassen zu müssen, sie es dennoch vorzöge, daß alles noch diesen Tag zur Ausführung käme, weil Ursus schon irgendwo im Dunkeln auf sie wartete.
Sie atmete rascher und war erregt. Acte raffte fieberhaft so viele Kleinodien zusammen, wie ihr möglich war, und indem sie sie in einem Zipfel von Lygias Peplos befestigte, legte sie ihr ans Herz, dies für die Flucht nicht zu verschmähen. Dann entstand eine tiefe Stille. Bald war ihnen, als hörten sie ein Flüstern hinterm Vorhang, dann wieder, als vernähmen sie das ferne Weinen eines Kindes oder das Bellen eines Hundes. Auf einmal bewegte sich geräuschlos der Vorhang des Eingangs, und ein großer, finsterer Mann, das Gesicht durch Pockennarben entstellt, erschien wie ein Geist im Atrium. Sofort erkannte Lygia in ihm Atacinus, einen Freigelassenen des Vinicius, der auch im Hause des Aulus schon erschienen war.
Acte schrie laut auf, aber Atacinus verbeugte sich und sagte:
„Einen Gruß, göttliche Lygia, von Marcus Vinicius, der dich erwartet zum Fest im schön bekränzten Hause.“
Die Lippen des Mädchens wurden blaß. ,
„Ich gehe“, sagte sie.
Dann schlang sie zum Abschied ihre Arme um Actes Nacken.
X
In der Tat prangte das Haus des Vinicius im Grün der Myrte und des Efeus; Wände und Türen waren damit geziert. Reben bekränzten die Säulen. Das Atrium, im oberen Teil durch Purpurstoff gegen die nächtliche Kühle geschützt, war so hell wie bei Tage. Lampen mit acht und zwölf Lichtern brannten. Sie glichen Bäumen, Schiffen, Tieren, Vögeln, Statuen, welche Schalen mit wohlriechendem Olivenöl hielten, sie waren aus Alabaster, Marmor oder vergoldeter korinthischer Bronze, allerdings nicht von so wunderbarer Arbeit wie jener berühmte, von Nero gebrauchte Leuchter, der aus dem Tempel Apollons genommen worden war, aber dennoch schön und von ausgezeichneten Meistern gefertigt. Einige der Lichter waren durch alexandrinisches Glas oder durchscheinende Stoffe vom Indus in roter, blauer, gelber oder violetter Farbe gedämpft, so daß das ganze Atrium in buntem Lichte erstrahlte. Durch das ganze Haus strömte Nardenduft. Vinicius hatte ihn im Orient kennengelernt und benutzte ihn in immer ausgedehnterem Maße. Auch die Tiefen des Hauses, in denen die Gestalten männlicher und weiblicher Sklaven sich bewegten, erglänzten im Licht. Im Triclinium war ein Tisch für vier Personen gedeckt; hier sollten beim Feste außer Vinicius und Lygia Petronius und Chrysothemis Platz nehmen. Vinicius hatte in allem den Rat des Petronius befolgt, nicht selber zu Lygia zu gehen, sondern den Atacinus zu ihr zu senden mit der vom Cäsar erlangten Erlaubnis, sie in seinem Hause zu empfangen; er beschloß, sie mit ausgesuchter Freundlichkeit, ja mit allen Ehrenbezeigungen aufzunehmen.
„Du warst gestern betrunken“, sagte Petronius, „ich sah dich. Du hast sie behandelt wie ein Steinbrecher aus den Albanerbergen. Sei nicht so ungestüm, bedenke, daß man guten Wein langsam trinkt. Und vergiß nicht, daß es süß ist zu begehren, doch süßer, begehrt zu werden.“
Chrysothemis hatte ihre eigene und etwas abweichende Meinung darüber; aber Petronius nannte sie seine Vestalin, seine Taube, und fing an, den Unterschied zu erklären, der zwischen einem geübten Wagenlenker des Zirkus und der Jugend, die zum erstenmal in der Quadriga sitzt, bestehen müsse.
Dann wandte er sich an Vinicius und fuhr
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