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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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etwa entgegentreten konnten.
    Der vom Glanze des Mondes umflossene Reiter und sein Pferd erschienen mitten im Schweigen und der Ruhe der Nacht wie Traumgestalten. Der idumäische Hengst schoß mit gestrecktem Halse pfeilschnell an den bewegungslosen Zypressen und den weißen Villen vorüber. Der Hufschlag auf den Steinfliesen schreckte die Hunde auf; sie verfolgten die ungewohnte Erscheinung mit ihrem Gebell und begannen, da Roß und Reiter ihnen schnell entschwanden, den Mond anzuheulen. Die Vinicius nacheilenden Sklaven blieben mit ihren geringeren Pferden bald weit hinter ihm zurück. Gleich einem Sturme durchraste er das schlafende Laurentum, wandte sich hierauf nach Ardea, wo er sich, wie in Bovillae und Ustrinum, seit seiner Ankunft in Antium frische Pferde hielt, um in möglichst kurzer Zeit den Weg nach Rom zurücklegen zu können.
    Jenseits Ardea erblickte er am nordöstlichen Himmel einen rosigen Reflex, es konnte die Dämmerung sein, denn die Nachtstunde war vorgerückt, zudem war es Juli, wo die Dämmerung früh eintritt. Vinicius jedoch glaubte darin den Glanz der Feuersbrunst zu erkennen und konnte einen Schrei des Entsetzens und der Verzweiflung nicht unterdrücken. Er erinnerte sich an das Wort des Konsuls: „Die ganze Stadt ist ein Flammenmeer“, und er fühlte, daß der Wahnsinn ihn zu umfangen drohte; hatte er doch alle Hoffnung verloren, Lygia zu retten oder Rom zu erreichen, ehe es in einen Aschenhaufen verwandelt war. Seine Gedanken waren schneller als der rasende Lauf seines Pferdes; sie flogen vorwärts wie eine Vogelschar, schwarz, Grauen und Verzweiflung erregend. Zwar wußte er nicht, in welchem Stadtteil das Feuer ausgebrochen war; doch vermutete er, der Stadtteil jenseits des Tibers mit seinen zahlreichen Wohnungen, Holzlagern, Vorratshäusern, den zum Sklavenmarkt dienenden Schuppen möchte zuerst ein Raub der Flammen geworden sein.
    In Rom zählten Feuersbrünste nicht zu den Seltenheiten; dabei wurden viele Gewalttaten und Diebstähle verübt, besonders in den von einer dürftigen und halb barbarischen Bevölkerung bewohnten Teilen. Was konnte da nicht auf der anderen Tiberseite geschehen, dem Zufluchtsorte des Pöbels aus allen Ländern der Erde? Der Gedanke an des Ursus übermenschliche Kraft leuchtete zwar in Vinicius auf; aber was war die Leistung eines Mannes, und wäre er auch ein Titan, gegenüber der zerstörenden Macht des Feuers?
    Die Furcht vor einer Empörung der Sklaven drückte Rom gleich einem Alp seit Jahren schon. Es ging das Gerücht, daß Hunderte aus den Tausenden von Sklaven der Zeit des Spartacus gedächten und nur auf den günstigen Augenblick warteten, um die Waffen gegen ihre Bedrücker und Rom wieder zu ergreifen. Der Augenblick schien jetzt gekommen. Vielleicht wüteten Krieg und Gemetzel gemeinsam mit dem Feuer. Es war sogar möglich, daß die Prätorianer selbst dahin geeilt waren und auf Befehl des Cäsars ein Blutbad anrichteten. Sein Haar sträubte sich vor Schrecken. Er erinnerte sich der Unterhaltungen über brennende Städte, die in letzter Zeit mit auffallender Beharrlichkeit im Gespräch des Cäsars sich wiederholt hatten, der Klagen des Cäsars, daß er genötigt sei, eine brennende Stadt zu beschreiben, ohne wirkliches Feuer gesehen zu haben, der verächtlichen Antwort, die Tigellinus auf das Anerbieten, Antium oder eine aus Holz gebaute Stadt in Brand zu stecken, bekommen hatte, endlich seines Murrens über Rom und die so übelriechenden Gassen der Subura.
    Ja, Nero hatte offenbar Befehl gegeben, die Stadt zu verbrennen. Er allein konnte so etwas gebieten, Tigellinus allein es ausführen. Brannte aber Rom, wie er befohlen, wer bürgte dann dafür, daß nicht auch die Bevölkerung auf Befehl niedergemetzelt wurde? Das Ungeheuer war einer solchen Tat fähig. Feuersbrunst, Sklavenempörung und Gemetzel! Welch schreckliches Chaos! Und darin Lygia!
    Die Seufzer des Vinicius mischten sich mit dem Schnauben des Pferdes. Das Tier, das die stets steigende Straße nach Aricia hinaufgaloppierte, war vollständig erschöpft. Wer wird Lygia der brennenden Stadt entreißen? Wer kann sie retten? Vinicius legte sich auf sein Pferd, fuhr sich mit der Hand ins Haar und war daran, vor Schmerz den Nacken des Tieres zu zerbeißen. Gerade da flog, ebenfalls gleich einem Sturm, ein Reiter, aber in entgegengesetzter Richtung, nach Antium, an ihm vorüber, rief ihm zu: „Rom geht zugrunde!“ und war davon. An das Ohr des Vinicius schlug nur mehr ein Wort:

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