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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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außerordentlicher Gehobenheit; alles schien ihm darin möglich: Petrus würde zu den Flammen sprechen, sie mit einem Worte öffnen und alle unbeschädigt wie durch eine Feuergasse von dannen gehen lassen. Petrus sah ja künftige Ereignisse voraus, darum ohne Zweifel auch diesen Brand; wie wäre es möglich, daß er die Christen nicht gewarnt und aus der Stadt geführt hätte und somit auch Lygia, die er liebte wie sein eigen Kind? Eine jeden Augenblick anschwellende Hoffnung zog in Vinicius’ Herz. Waren sie geflohen, so konnte er sie in Bovillae treffen oder ihnen auf der Landstraße begegnen. Das geliebte Antlitz konnte auf einmal sichtbar werden in dem Rauch, der sich immer weiter über die Campania verbreitete.
    Es schien ihm um so gewisser, als er eine stets wachsende Zahl von Menschen traf, die die Stadt verlassen hatten und sich nach den Albanerbergen begaben; sie waren dem Feuer entronnen und wollten den Bereich des Rauches verlassen. Ehe er nach Ustrinum kam, mußte er wegen der zunehmenden Menge den Gang seines Tieres mäßigen. Er begegnete Fußgängern mit Bündeln auf dem Rücken, bepackten Reitern, beladenen Maultieren und Gefährten, Sänften, in denen Sklaven die reicheren Bürger trugen. Ustrinum war mit Flüchtigen aus Rom so überfüllt, daß es schwerhielt, sich hindurchzudrängen. Auf dem Marktplatz, unter den Portiken der Tempel, auf den Straßen hielten sich Scharen Geflohener auf. Man errichtete an verschiedenen Orten Zelte, die ganzen Familien Obdach boten. Andere ließen sich unter freiem Himmel nieder, schreiend, zu den Göttern rufend oder ihr Schicksal verfluchend. Es war in dem allgemeinen Schrecken schwierig, etwas zu vernehmen. Leute, an die Vinicius dennoch eine Frage stellte, gaben entweder keine Antwort oder erwiderten mit halb verwirrtem Blick, daß Rom und die Welt zugrunde gingen. Neue Massen von Männern, Frauen und Kindern kamen jeden Augenblick aus der Richtung von Rom hinzu; dies vermehrte die Unordnung und das Geschrei. Einige, die sich unter der Menge verirrt hatten, suchten verzweifelt nach Verlorenen, andere schlugen sich um einen Lagerplatz. Halbwilde Schafhirten aus der Campania drängten sich in die Stadt, um Nachricht einzuziehen oder auch zu plündern, was bei der allgemeinen Verwirrung nicht schwerhielt. Sklaven jeder Nationalität und Gladiatoren fielen da und dort in die Stadt ein, raubten in Villen und Häusern und kämpften mit den zum Schutze der Bürger abgesandten Soldaten.
    Der Senator Junius, den Vinicius im Gasthaus von einer Abteilung batavischer Sklaven umgeben sah, war der erste, der Genaueres von der Feuersbrunst berichten konnte. Das Feuer war beim Circus Maximus ausgebrochen, in jenem Teile, der den Palatin und den Mons Caelius berührte, verbreitete sich aber mit rasender Schnelligkeit und ergriff das ganze Zentrum der Stadt. Nie seit Brennus war ein so schreckliches Unglück über Rom hereingebrochen.
    „Der Zirkus ist vollständig niedergebrannt wie auch die benachbarten Buden und Häuser“, sagte Junius; „der Aventinus und der Caelius stehen im Feuer. Die den Palatin umgebenden Flammen haben die Carinae erreicht.“
    Junius besaß an den Carinae eine prächtige Villa, die eine Sammlung von Kunstwerken enthielt, die ihm teuer waren; darum nahm er bei den letzten Worten eine Handvoll schmutzigen Straßenstaubes, bestreute damit sein Haupt und seufzte verzweifelt.
    Vinicius berührte seine Schulter.
    „Mein Haus ist auch an den Carinae“, sagte er; „aber wenn alles zugrunde geht, dann mag es das gleiche Schicksal teilen.“
    Weil es ihm jedoch einfiel, daß Lygia auf seinen Rat zu Aulus gegangen sein möchte, forschte er weiter:
    „Und der Vicus Patricius?“
    „Steht in Flammen“, erwiderte Junius.
    „Und jenseits des Tibers?“
    Junius sah ihn erstaunt an.
    „Was kümmert uns diese Gegend“, sprach er, mit den Händen seine schmerzenden Schläfen pressend.
    „Dieser Stadtteil ist mir wichtiger als alle anderen Viertel Roms“, rief Vinicius heftig.
    „Der Weg führt durch die Via Portuensis beim Aventinus; aber die Hitze wird dich ersticken. Jenseits des Tibers? Ich weiß nichts davon. Das Feuer hatte den Stadtteil noch nicht erreicht; ob es jetzt auch noch nicht dort ist, wissen die Götter allein.“
    Junius zögerte darauf einen Augenblick, dann flüsterte er Vinicius zu:
    „Du wirst mich nicht verraten; darum sage ich dir, es ist kein gewöhnliches Feuer, denn es wurde den Leuten nicht erlaubt, den Zirkus zu retten. Als die

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