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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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gut wie ich, was von dieser Sache zu halten ist.“
    „Ich wage nicht, mich in der Weisheit mit dir zu messen.“
    „Und du hast recht; denn wenn der Cäsar ein neues Buch der Trojade liest, müßtest du, statt zu krächzen wie ein Rabe, eine die Sache treffende Antwort zu geben wissen.“
    Tigellinus biß sich auf die Lippen. Er war nicht sehr erfreut darüber, daß der Cäsar sein neues Lied vorzutragen beschloß; denn auf diesem Gebiete konnte er es nicht mit Petronius aufnehmen. Während des Lesens wandten sich Neros Augen wirklich gewohnheitsmäßig und unwillkürlich nach Petronius und suchten auf seinem Gesicht zu lesen. Petronius hörte zu, erhob den Blick, gab mitunter Zeichen der Zustimmung, steigerte dann wieder seine Aufmerksamkeit, als ob er sich versichern wollte, daß er richtig hörte. Dann lobte oder tadelte er, verlangte Berichtigung oder größere Weichheit in manchen Versen. Nero fühlte, daß die anderen mit ihrem übertriebenen Lobe nur sich selber im Auge hatten, während Petronius allein sich mit der Poesie um ihrer selbst willen beschäftigte, er allein sie verstand und daß, wenn er lobte, die betreffenden Verse wirklich Lob verdienten. Darum begann er allmählich mit ihm zu verhandeln, zu disputieren, und als Petronius zuletzt das Passende eines Ausdrucks in Zweifel zog, sagte er:
    „Du wirst im letzten Buche sehen, warum ich ihn wählte.“
    „Ah“, dachte Petronius, „dann werden wir auf das letzte Buch warten.“
    Mehr als einer der Abtrünnigen sagte sich da:
    „Wehe mir, wenn Petronius Zeit gewinnt, kann er wieder in Gnade kommen und selbst Tigellinus überflügeln.“
    Und sie näherten sich ihm wieder. Der Schluß der Abendunterhaltung war weniger glücklich. Als Petronius sich verabschiedete, fragte ihn plötzlich der Cäsar mit zwinkernden Augen und mit einem frohen und zugleich boshaften Gesichtsausdruck:
    „Warum ist Vinicius nicht gekommen?“
    Wäre Petronius sicher gewesen, daß Vinicius und Lygia die Stadt hinter sich hätten, so würde er geantwortet haben: „Mit deiner Erlaubnis hat er sich verheiratet und ist fort.“
    Da er aber Neros eigentümliches Lächeln bemerkte, versetzte er:
    „Deine Einladung, Gottheit, traf ihn nicht zu Hause.“
    „Sage Vinicius, daß es mich freuen würde, ihn zu sehen“, entgegnete Nero, „und ich ließe ihm sagen, er möge die Spiele nicht versäumen, in denen die Christen auftreten werden.“
    Diese Worte beunruhigten Petronius. Es schien ihm, als bezögen sie sich direkt auf Lygia. Als er in seine Sänfte stieg, gab er Befehl, ihn noch eiliger als am Morgen nach Hause zu tragen. Dies war jedoch nicht leicht. Vor dem Hause des Tiberius stand eine dichtgedrängte, schreiende, betrunkene Menge wie bei seinem Kommen, doch nicht mehr singend und tanzend, sondern erregt. Aus der Ferne drangen einige Rufe, die Petronius nicht sofort verstehen konnte; sie wurden aber vielstimmig und vereinigten sich zuletzt zu dem einen wilden Schrei:
    „Die Christen vor die Löwen!“
    Die reichen Sänften der Höflinge drängten sich durch die heulende Menge. Aus den Tiefen verbrannter Straßen strömten immer neue Volksmassen herbei; sie hörten den Ruf und wiederholten ihn. Von Mund zu Mund ging bereits die Neuigkeit, daß die Verfolgung schon am Vormittag begonnen habe und eine Menge der Brandstifter festgenommen sei; längs der neugebahnten und der alten Straßen, durch die Gassen zwischen den Ruinen am Palatin, über die Hügel und Gärten, von einem Ende der Stadt zum anderen erscholl mit immer wachsender Wut das Geschrei:
    „Die Christen vor die Löwen!“
    „Niederträchtige Herde!“ sagte Petronius mit Verachtung; „ein seines Cäsars würdiges Volk!“
    Und er sah ein, daß eine Gesellschaft, deren Grundlage nur in Gewalt, in einer selbst barbarischen Völkern fremden Grausamkeit, in Verbrechen jeder Art und einer an Wahnwitz grenzenden Verderbtheit bestehe, sich auflösen müsse. Rom beherrschte die Welt, war aber auch das Geschwür am Körper der Welt. Ein Leichengeruch ging von hier aus. Die Merkmale des Todes zeigten sich bereits in Roms hinschwindendem Leben. Mehr als einmal war dies selbst von den Augustianern behauptet worden, doch nie zuvor hatte Petronius einen so tiefen Eindruck der Wahrheit gehabt, daß der lorbeerbekränzte Wagen, den Rom in Gestalt eines Triumphators lenkte, hinter dem drein er gefesselte Scharen aus allen Nationen schleppte, einem Abgrund zurollte. Das Leben in dieser weltbeherrschenden Stadt kam ihm wie

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