Quo Vadis
Persephone! Ich habe genug davon!“
Und er bemerkte mit Erstaunen, daß ihn schon so vieles von diesen Leuten trennte. Er hatte sie zwar schon früher gut gekannt und gewußt, was von ihnen zu halten war, doch schienen sie ihm jetzt noch weiter von ihm entfernt und verachtungswürdig. Wirklich, er hatte genug von ihnen!
Dann begann er über seine Lage nachzudenken. Sein Scharfsinn ließ ihn erkennen, daß ihm keine augenblickliche Gefahr drohte. Nero hatte einige gewählte, erhabene Phrasen über Freundschaft und Verzeihung gesprochen und sich damit für den Augenblick gebunden.
„Er wird einen Vorwand suchen, und bis ihm dies gelingt, kann viel Zeit verstreichen. Zuerst wird er die Spiele mit den Christenopfern feiern“, sagte sich Petronius; „erst dann denkt er an mich; ist es so, dann lohnt es sich nicht der Mühe, daß ich mich beunruhige oder meine Lebensweise ändere. In näherer Gefahr steht Vinicius!“
Jetzt dachte er nur noch an Vinicius, den er zu retten beschloß. Vier kräftige Bithynier trugen seine Sänfte rasch durch Mauertrümmer, Aschenhaufen und Steine, womit die Carinae noch gefüllt waren; trotzdem befahl er ihnen zu eilen, damit er bald heimgelangte. Vinicius, dessen Villa verbrannt war, wohnte bei ihm und war glücklicherweise zu Hause.
„Hast du Lygia heute gesehen?“ waren Petronius’ erste Worte.
„Eben komme ich von ihr.“
„Höre, was ich dir zu sagen habe, und verliere keine Minute mit Fragen. Es wurde diesen Morgen in des Cäsars Rat beschlossen, als Brandstifter die Christen zu beschuldigen. Verfolgung und Marter stehen ihnen bevor. Nimm Lygia und flieh mit ihr über die Alpen oder nach Afrika! Beeile dich, denn der Palatin ist dem Tiber näher als die Carinae.“
Vinicius war zu sehr Soldat, um Zeit mit nutzlosen Fragen zu verlieren. Er hörte mit gerunzelter Stirn und nachdenklichem, zornigem, aber furchtlosem Gesichtsaus druck zu. Offenbar war der erste Impuls seiner Natur auf Verteidigung und Kampf gerichtet.
„Ich gehe“, sagte er.
„Nimm eine Börse mit Gold, Waffen und eine Handvoll deiner Christen mit dir. Für den Notfall befreie Lygia!“
Vinicius stand schon unter der Tür des Atriums.
„Laß mir durch einen Sklaven Nachricht zukommen“, rief ihm Petronius nach.
Als er allein war, ging er zwischen den Säulen, die das Atrium schmückten, spazieren und dachte über die Ereignisse nach. Er wußte, daß Lygia und Linus nach dem Brande in das alte Haus, das mit dem größeren Teil der Gebäude jenseits des Tibers gerettet worden war, zurückgekehrt waren; dies war ein ungünstiger Umstand, denn anderenfalls wäre es den Häschern des Tigellinus schwierig gewesen, sie in dem Gedränge zu finden. Petronius hoffte jedoch, daß niemand auf dem Palatin wüßte, wo sie wohnten, und Vinicius jedenfalls den Prätorianern zuvorzukommen vermöchte. Er dachte sich auch, Tigellinus werde auf einen Schlag so viele Christen als möglich ergreifen lassen und sein Netz über ganz Rom ausbreiten. „Wenn nicht mehr als zehn Mann nach ihr geschickt werden“, dachte er, „so wird dieser riesige Lygier deren Knochen zerbrechen; und erst gar, wenn Vinicius zur Hilfe erscheint!“ Diese Vorstellung gab ihm Trost. Allerdings rächte sich bewaffneter Widerstand gegen die Prätorianer fast ebenso schwer wie Krieg gegen den Cäsar. Petronius wußte auch, daß, falls Vinicius sich vor der Rache des Cäsars verberge, diese ihn, Petronius, treffen werde; aber er kümmerte sich wenig darum. Er weidete sich sogar am Gedanken, Neros und Tigellinus’ Pläne zu durchkreuzen, und beschloß, in dieser Sache weder Leute noch Geld zu sparen. Weil Paulus von Tarsus in Antium die meisten seiner Sklaven bekehrt hatte, konnte er bei der Verteidigung der Christen auf deren Eifer und Ergebenheit rechnen.
Der Eintritt Eunikes unterbrach sein Sinnen. Bei ihrem Anblick war all seine Sorge und Unruhe spurlos verschwunden. Er vergaß den Cäsar, die Ungnade, in die er gefallen war, die jämmerlichen Augustianer, die den Christen drohende Verfolgung, Vinicius, Lygia und sah nur auf sie mit den Augen des ästhetisch gebildeten Mannes, den wunderbar schöne Formen fesseln, und mit denen eines Liebhabers, dem Liebe aus schönen Formen atmet. Sie trug ein durchsichtiges, violettes Kleid, eine Coa vestis, die ihre bezaubernden Formen erkennen ließ, und glich an Schönheit wirklich einer Göttin. Da sie sich bewundert fühlte, Petronius von ganzem Herzen liebte, nach seiner Zärtlichkeit verlangte, so
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