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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Christen flehten um Gnade, begannen wütend ob solcher Feigheit zu stampfen, zu pfeifen, Weingefäße und abgenagte Knochen auf sie zu werfen, und sie forderten rasend:
    „Die Bestien! Die Bestien!“
    Doch plötzlich hielten sie ein. Aus der zottigen Opferschar erhoben sich Stimmen, und zum erstenmal erklang in einem römischen Amphitheater die Hymne:
    „Christus regnat!“
    Alles horchte staunend. Die Verurteilten hielten die Augen zum Velarium emporgerichtet; die Gesichter waren bleich, doch begeistert. Jeder erkannte, daß diese Menschen nicht um Gnade flehten, daß sie den Zirkus, das Publikum, den Senat, den Cäsar gar nicht zu sehen schienen.
    „Christus regnat!“ erklang es lauter und lauter. Von den untersten Sitzen bis hoch oben fragte sich jedermann:
    „Was geht vor? Wer ist dieser Christus, der herrscht, wie es diese Todesopfer singen?“
    Inzwischen war ein zweites Gitter geöffnet worden, und mit rasendem Geheul stürzten ganze Rudel von Hunden hervor: riesige, gelbhaarige Molosser vom Peloponnes, scheckige aus den Pyrenäen und wolfsähnliche Hibernerhunde, alle absichtlich vorher ausgehungert. Ihr Geheul füllte den Zirkus. Die Christen blieben knien, nachdem sie die Hymne zu Ende gesungen, unbeweglich, wie erstarrt, unaufhörlich wiederholend:
    „Pro Christo! Pro Christo!“
    Die Hunde, Menschen unter den zottigen Tierfellen witternd, waren überrascht von dem Schweigen ihrer Opfer und fielen nicht sogleich über die Christen her. Einige strichen an der Mauer entlang, als ob sie unter den Zuschauern sich ein Opfer auswählen wollten; andere umkreisten kläffend die Arena und schienen irgendeinem ungesehenen Tier nachzujagen. Die Menge wurde zornig. Tausend Stimmen begannen zu hetzen; die einen heulten wie die Bestien, die anderen bellten wie Hunde. Der Zirkus bebte unter solchem Aufruhr. Die gereizten Hunde stürzten jetzt auf die Knienden los, sprangen wieder zurück und fletschten die Zähne, bis endlich einer der Molosser sein Gebiß in die Schulter einer zuäußerst knienden Frau grub. Jetzt brachen auch die übrigen in die Schar ein, und der Lärm der Zuschauer verstummte, da jeder ganz Auge war. „Pro Christo!“ erklang es unaufhörlich; zuckende Massen wälzten sich im blutüberströmten Sande. Die Hunde rissen sich die blutigen Glieder aus dem Rachen. Der Geruch zerfetzter Körper wurde stärker als die arabischen Wohlgerüche und füllte den ganzen Zirkus.
    In kurzem sah man bloß hier und dort noch kniende Gestalten, bis auch sie mit der blutlechzenden Meute eine Masse bildeten.
    Als die Christen in die Arena getreten waren, hatte Vinicius sich erhoben und sich nach der Richtung gekehrt, in der Petrus unter den Leuten des Petronius saß. Nun setzte er sich wieder und blickte starren Auges auf das entsetzliche Schauspiel. Vielleicht war der Steinbrecher im Irrtum, und Lygia befand sich doch dort unten. Dieser Gedanke drohte ihn wahnsinnig zu machen. Doch als er die Opfer im Sterben noch „Pro Christo“ rufen, ihren Glauben, ihren Gott bekennen hörte, wich seine Verzweiflung einem anderen Gedanken, der ihn qualvoll, aber unwiderstehlich durchzuckte. Wenn Christus selber unter Qualen starb, wenn Tausende in diesem Augenblick ihm zuliebe in den Tod gingen, wenn ein Meer von Blut den Glauben an ihn besiegelte, so bedeutete ein Tropfen mehr oder weniger nichts, und es war Sünde, auch nur um Erbarmen zu flehen. Dieser Gedanke fraß sich in ihm fest, genauso wie von der Arena her das Röcheln der Opfer und der Geruch des dampfenden Blutes. Und dennoch wiederholten seine blutleeren Lippen:
    „O Christus! Christus! Auch dein Apostel betet für sie!“
    Das Bewußtsein begann ihm zu schwinden. Alles drehte sich in wildem Wirbel vor seinen Augen. Es war ihm, als steige das Blut von der Arena aus höher und höher, als fließe es über die Zirkusmauern weg und überströme ganz Rom. Er sah nichts mehr; er hörte weder das Geheul der Bestien noch den Lärm der aufgeregten Menge oder die Stimmen der Augustianer, die sich eben zuriefen:
    „Chilon ist ohnmächtig!“
    „Chilon ist ohnmächtig!“ sagte Petronius, sich dem Griechen zukehrend.
    Chilon war in der Tat in Ohnmacht gefallen. Schneeweiß saß er da, den Kopf nach hinten gelehnt, den Mund weit offen, wie ein Toter.
    Zu gleicher Zeit wurden neue in Felle genähte Opfer in die Arena getrieben. Gleich den früheren fielen sie sofort auf die Knie, allein die ermüdeten Hunde zerrissen sie nicht. Nur einige wenige warfen sich auf die

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