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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Smintheus,
    Bliebst fühlloser als kalter Stein!“
    Sein Gesang ging allmählich in eine klagende, schmerzvolle Elegie über. Tiefes Schweigen herrschte im Zirkus.
    Nach einer Weile fuhr der Cäsar, den Rührung ergriff, fort:
    „Durch den Klang deiner himmlischen Leier
    Konntest zum Schweigen den Jammer du bringen
    Und die Klagen der bangenden Herzen.
    Dieses Liedes düstere Weise
    Füllt uns heute die Augen mit Tränen,
    Wie die Blume mit Nachttau sich füllt.
    Doch wer erweckt uns aus Trümmern und Asche
    Jenen grausen Tag des Verderbens?
    Wo weiltest du, Smintheus, an jenem Tage?“
    Seine Stimme wurde unsicher und seine Augen feucht. Tränen rannen über die Wangen der Vestalinnen. Schweigend lauschte die Menge und brach dann in einen nicht enden wollenden Beifallssturm aus.
    Zu gleicher Zeit knarrten vor den Zirkusmauern die Räder der Karren, auf die man die blutigen Überreste der Christen geworfen hatte, um alle, Männer und Frauen und Kinder, in die Puticuli, die Leichengruben, zu bringen.
    Petrus, der Apostel, stützte sein greises Haupt auf die zitternden Hände und rief im stillen zum Himmel empor:
    „O Herr! O Herr! Wem gabst du die Herrschaft über die Erde! Warum willst du hier deine Hauptstadt gründen?“

LVII
    Die Sonne senkte sich im Westen. Flammend bedeckte den Himmel das Abendrot. Das Schauspiel war zu Ende. Die Menschenmassen verließen das Theater und ergossen sich durch die Hauptausgänge nach der Stadt. Nur die Augustianer blieben, bis das Volk sich verloren hatte. Sie verließen ihre Sitze und sammelten sich um das Podium, auf dem der Cäsar abermals erschien, um weitere Lobsprüche entgegenzunehmen. Der Applaus, den die Zuhörer am Ende des Gesanges gespendet hatten, genügte ihm nicht; er begehrte eine fast an Wahnsinn grenzende Begeisterung. Umsonst klangen die Lobeshymnen an sein Ohr, umsonst küßten die Vestalinnen seine göttliche Hand, wobei Rubrias rötliches Haar seine Brust berührte. Nero war nicht befriedigt und konnte dies auch nicht verbergen. Das Schweigen des Petronius erregte in ihm Staunen und Verwirrung. Einige schmeichelhafte und treffende Worte aus dessen Munde wären in diesem Augenblick ein großer Trost für ihn gewesen. Unfähig, sich zurückzuhalten, winkte er dem Arbiter.
    „Sprich!“ sagte er, als Petronius sich näherte.
    „Ich schweige“, erwiderte Petronius kalt, „denn ich vermag keine Worte zu finden, du hast dich selbst übertroffen.“
    „So schien es auch mir, aber dieses Volk …“
    „Kannst du von der Menge eine richtige Schätzung der Poesie erwarten?“
    „Also hast auch du bemerkt, daß man mir nicht dankte, wie ich’s verdiente.“
    „Weil du einen schlechten Augenblick gewählt.“
    „Wie?“
    „Wenn der Menschen Geist mit solch blutigen Szenen angefüllt ist, können sie nicht aufmerksam lauschen.“
    „Ah, diese Christen!“ antwortete Nero, seine Fäuste ballend. „Sie verbrannten Rom, und jetzt schädigen sie mich von neuem. Welche Strafe soll ich nun noch für sie erdenken?“
    Petronius sah, daß er den unrechten Weg eingeschlagen hatte und die Wirkung seiner Worte der beabsichtigten gerade entgegen war; um Neros Gedanken eine andere Richtung zu geben, wandte er sich zu ihm und flüsterte:
    „Dein Gesang war wunderbar, aber ich möchte mir eine Bemerkung erlauben: Im vierten Vers der dritten Strophe läßt das Metrum einiges zu wünschen übrig.“
    Nero errötete vor Scham, als ob er auf einer schändlichen Tat ertappt worden wäre, und flüsterte mit einem furchtsamen Blicke:
    „Du bemerkst alles. Ich weiß es und werde es verbessern; doch denke ich, daß außer dir niemand den Fehler beachtet hat, und du wirst bei der Liebe der Götter niemals davon reden, wenn dir dein Leben lieb ist.“
    Petronius antwortete darauf wie in einem Ausbruch von Ärger und Zorn:
    „Verurteile mich zum Tode, o Gottheit, wenn ich dich betrüge, aber du kannst mich nicht erschrecken; denn die Götter wissen am besten, ob ich den Tod fürchte.“
    Dabei blickte er dem Cäsar fest ins Auge, der nach einer kleinen Pause sagte:
    „Sei nicht ungehalten, du weißt, wie ich dich liebe.“
    „Ein schlimmes Zeichen!“ dachte Petronius.
    „Ich wollte dich heute zu einem Fest einladen“, fuhr der Cäsar fort, „doch ich ziehe es vor, mich einzuschließen und jenen verfluchten Vers in der dritten Strophe zu glätten. Außer dir mag der Fehler auch Seneca aufgefallen sein und vielleicht Secundus Carinus; aber ich will mich dieser beiden sogleich

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