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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Todesstreich aus. Calendio sprang blitzschnell zur Seite, entging dem Hieb und stieß seinem Gegner den Dreizack zwischen die Knie, so daß er fiel.
    Er wollte aufspringen, doch schon lag er unter dem Netz, in das ihn jede Bewegung mehr und mehr verstrickte. Jeden Versuch, auf die Füße zu gelangen, vereitelte Calendio mit seiner Gabel. Die letzte Kraft aufbietend, stützte der Gallier sich auf den Arm und versuchte emporzukommen. Umsonst! Der versagenden Hand entsank das Schwert; er fiel auf den Rücken. Calendio setzte den Dreizack auf den Hals des Besiegten, stützte beide Hände darauf und wandte sein Gesicht gegen die Loge des Cäsars.
    Der Zirkus zitterte unter dem Beifallssturm, der sich nun erhob. Jenen, die auf ihn gewettet hatten, war Calendio in diesem Augenblick mehr als ein Cäsar; aber gerade deshalb lag ihnen jede Erbitterung über den Gallier fern, der durch seinen Tod ihre Beutel füllte. Die Stimmen teilten sich, die oberen Sitze stimmten teils für Tod, teils für Gnade. Der Retiarius harrte auf die Zeichen des Cäsars und der Vestalinnen.
    Zum Unglück für den gefallenen Gladiator war ihm Nero, der früher einmal gegen den Gallier gewettet und dadurch an Licinius große Summen verloren hatte, nicht gewogen. Dessen eingedenk, streckte er die Hand zur Loge hinaus und hielt den Daumen nach unten.
    Die Vestalinnen taten sogleich dasselbe. Calendio kniete auf die Brust des Gegners nieder, zog einen kurzen Dolch aus dem Gürtel, entfernte die Rüstung vom Halse des Galliers und stieß ihm die dreikantige Klinge bis an das Heft in die Kehle.
    „Peractum est!“ hörte man rufen.
    Der Gallier zuckte noch einige Zeit wie ein abgestochener Büffel, scharrte mit Fingern und Zehen den Sand auf, streckte sich und war tot.
    Der Merkur hatte nicht nötig, sich mit glühendem Eisen von seinem Tode zu überzeugen. Der Tote wurde weggeschafft, und andere Paare traten vor. Schließlich kämpfte Abteilung gegen Abteilung. Augen und Seele der Zuschauer waren dabei. Man brüllte, heulte, pfiff, klatschte, lachte und trieb die Kämpfenden an. Die Gladiatoren, in zwei Legionen geteilt, fochten wie rasende Tiere, Brust lag an Brust, Leiber waren ineinander verflochten, Glieder krachten in ihren Gelenken, Schwerter ragten aus Brüsten und Eingeweiden hervor, erbleichende Lippen spien Blutwellen in den Sand. Gegen das Ende des Gemetzels begannen einige Neulinge aus dem Gemenge zu fliehen; allein die mit Blei versehenen Peitschen der Mastigophoren trieben sie augenblicklich zurück. Das Blut bildete dunkle Lachen im Sande; ein nackter Körper nach dem anderen fiel röchelnd hin. Die Toten lagen wie Korngarben umher. Die noch Lebenden stritten auf den Leichen weiter, zerschnitten sich die Füße an zerbrochenen Waffen und fielen. Und das Entzücken der Zuschauer war grenzenlos.
    Die Besiegten waren fast alle tot. Nur wenige Verwundete knieten in der Mitte der Arena und erhoben, um Schonung flehend, ihre Arme. Die Sieger ernteten Blumen und Olivenkränze.
    Eine Pause folgte, die auf Befehl des allmächtigen Cäsars durch ein Gelage ausgefüllt wurde. Wohlgerüche stiegen aus Vasen auf; ein Regen von Safran und Veilchen rieselte auf die Menge herab. Erfrischende Getränke, gebratenes Fleisch, süßes Gebäck, Wein, Oliven und Obst wurden verteilt. Man aß, plauderte, jauchzte zu Ehren des Cäsars, um ihn zu noch größerer Freigebigkeit zu bewegen. Sobald Hunger und Durst gestillt waren, trugen Hunderte von Sklaven Körbe mit Geschenken herbei; Knaben, als Liebesgötter gekleidet, entnahmen verschiedenartige Gegenstände daraus, die sie mit beiden Händen unter die Menge warfen. Als Lotterielose zur Verteilung gelangten, entstand eine förmliche Schlacht. Man stieß sich und trat sich mit Füßen; man rief um Hilfe, sprang über die Sitze hinweg und erstickte einander in dem fürchterlichen Gedränge. Wer einer Glücksnummer habhaft geworden war, hatte Aussicht auf ein Haus mit Garten, einen Sklaven, ein Prachtgewand oder ein wildes Tier, das er an das Amphitheater verkaufen konnte. Die Aufregung wuchs bisweilen zu einem solchen Grade, daß die Prätorianer eingreifen mußten. Nach jeder derartigen Verteilung gab es gebrochene Arme und Beine und zu Tode gedrückte Menschen.
    Die Reicheren nahmen an diesem Kampf um die Tesserae nicht teil. Die Augustianer belustigten sich damit, auf Chilon zu schauen, wie er sich vergeblich den Anschein zu geben suchte, als könne er so gut wie jeder andere dem Blutvergießen und Kämpfen

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