Quo Vadis
Blut aus und fiel.
Stürmischer Beifall folgte dem Ende des Kampfes. Kroton setzte einen Fuß auf den Leib des Gegners, kreuzte seine riesigen Arme über der Brust und blickte sich triumphierend um.
Nun erschienen Männer, die Tiere und deren Stimmen nachahmten, Ballspieler und Possenreißer. Sie fanden wenig Zuschauer, denn der Wein hatte die Augen der Zecher bereits verdunkelt. Das Fest verwandelte sich allmählich in ein Gelage von Betrunkenen, eine wüste Orgie. Die syrischen Mädchen, die zuvor im Bacchantentanz aufgetreten waren, mischten sich jetzt unter die Gäste. Die Musik ging in ein wildes, ordnungsloses Durcheinander von Zithern, Lauten, armenischen Zimbeln, ägyptischen Sistren, Hörnern und Trompeten über. Einige Gäste wünschten sich miteinander zu unterhalten und verlangten laut die Entfernung der Musikanten. Die Luft, durchschwängert von dem Duft der Blumen und der wohlriechenden Öle, mit denen schöne Knaben die Füße der Gäste während des Mahles bespritzten, verdorben durch den Safran und die Ausdünstungen der Menschen, wurde erstickend; die Lampen brannten düster, den Häuptern der Zecher entfielen die Kränze, die Gesichter wurden blaß und bedeckten sich mit Schweiß. Vitellius fiel unter den Tisch. Nigidia entblößte sich bis zur Taille und ließ ihren betrunkenen Kinderkopf auf Lucanus’ Brust niederfallen, der, ebenso schwer betrunken, den Goldstaub von ihrem Haar wegzublasen begann und in unendlicher Wonne schwamm. Vestinus wiederholte mit der Zähigkeit eines Betrunkenen zum zehnten Male die Antwort, die Mopsus auf den gesiegelten Brief des Prokonsuls gegeben hatte. Tullius, ein Verächter der Götter, sagte mit gedehnter, von Schlucken unterbrochener Stimme:
„Wenn der Sphairos des Xenophanes rund wäre, so könnte man ja, denkt doch, einen solchen Gott mit dem Fuße vor sich herstoßen wie ein Faß.“
Doch Domitius Afer, ein hartgesottener Dieb und Denunziant, war über solche Rede entrüstet und schüttete im Zorn Falerner über seine Tunika. Er habe stets an die Götter geglaubt. Man sage, Rom werde untergehen, Rom sei bereits am Untergehen. Ja gewiß! Doch wenn es geschehen sollte, so rühre es daher, daß die Jugend ohne Glauben und der Glaube ohne Tugend sei. Man habe auch die strengen Sitten der Vorzeit aufgegeben, ohne zu bedenken, daß Epikuräer den Barbaren nicht standhalten würden. Was ihn betreffe, so bedaure er, so lange gelebt zu haben; er müsse zu Vergnügungen Zuflucht nehmen, um den Kummer zu ersticken, sonst stürbe er daran.
Indem er dies sagte, zog er eine syrische Tänzerin an sich und küßte ihr Hals und Schultern mit seinem zahnlosen Munde. Bei diesem Anblick lachte der Konsul Memmius Regulus, warf das Haupt mit dem verkehrt sitzenden Kranze empor und sagte:
„Wer sagt, Rom sei am Untergehen? Welcher Wahnsinn! Ich als Konsul weiß das besser. Videant consules! Dreißig Legionen schützen unsere Pax Romana!“
Dabei legte er die Fäuste an die Schläfen und brüllte:
„Dreißig Legionen! Dreißig Legionen! Von Britannien bis zur parthischen Grenze!“
Plötzlich hielt er inne und sagte, den Finger an die Stirn hebend:
„Wahrhaftig, ich glaube, es sind sogar zweiunddreißig.“
Er fiel unter den Tisch und begann bald Flamingozungen, Braten und gefrorene Schwämme, Heuschrecken in Honig, Fisch, Fleisch, kurz, alles, was er gegessen und getrunken hatte, wieder herauszugeben.
Doch die Zahl der Legionen, die den römischen Frieden bewachten, besänftigte Domitius Afer nicht.
Nein, nein! Rom müsse zugrunde gehen, da der Götterglaube dahin sei, die strengen Sitten ebenfalls. Rom müsse untergehen, und das sei schade; denn immerhin lasse es sich hier ganz angenehm leben. Der Cäsar sei ja gnädig und der Wein gut! O wie schade!
Und das Haupt auf den Arm der syrischen Tänzerin stützend, brach er in Tränen aus.
„Was ist das zukünftige Leben! Achilleus hatte recht; besser ein Sklave unter der Sonne sein als König in kimmerischen Gefilden. Und doch verdirbt der Unglaube die Jugend – es ist nur die Frage, ob es überhaupt Götter gibt.“
Lucanus hatte inzwischen von Nigidias Haar allen Goldstaub weggeblasen, und sie war vor Betrunkenheit eingeschlafen. Er entnahm nun dem vor ihm stehenden Gefäß Efeukränze, legte sie auf die Schlafende und schaute die Anwesenden fragend und selig an. Dann bekränzte er sich selber mit Efeu, indem er im Tone tiefer Überzeugung vor sich hersprach:
„Ich bin gar kein Mensch, ich bin ein
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