R4ge Inside
entgegen aller Erwartungen noch am Leben waren, Hilfe und Rettung anzubieten. Was hatten die Hetzer vor?
Er würde in den nächsten Tagen wohl selbst einmal ins Stadtzentrum fahren und sich das Ganze ansehen müssen.
Eine halbe Stunde später lenkte Mason das Motorrad an den StraÃenrand und stellte den Motor ab. Sie standen vor einem zweistöckigen Haus in einem Viertel, das früher einmal sehr hübsch gewesen sein musste. Die StraÃe war ruhig und gesäumt von skelettartigen Bäumen, deren Laub auf dem Gras unter ihnen verrottete.
Mason warf einen Blick die StraÃe hinunter und suchte nach Anzeichen für Leben. Es war schwer zu glauben, dass hier niemand mehr wohnte. An jedem anderen Tag hätte er sich die Leute wunderbar vorstellen können: Teenager, die missmutig Blätter zusammenharkten oder irgendwelche anderen Wochenendarbeiten verrichteten. Hausbesitzer, die sich mit ihren Nachbarn unterhielten oder Regenrinnen reinigten. Mütter, die dem Nachwuchs hinterherrannten oder Babys in Kinderwagen spazieren fuhren. Leute, die mit ihrem Hund Gassi gingen oder ins Auto stiegen, um in den Supermarkt zu fahren.
Aber die StraÃe war tot. Egal, wie sehr er es sich auch wünschte, das gruselige Gefühl der Leere, das ihm über den Rücken kroch, wollte einfach nicht verschwinden. Er stieg vom Motorrad und klappte den Seitenständer aus.
Aries achtete nicht auf die StraÃe; ihre Aufmerksamkeit war auf das Haus vor ihnen gerichtet. Es war ein Reihenhaus mit einem schmiedeeisernen Zaun davor. Die Einfahrt war leer.
»Willst du das wirklich tun?«, fragte er. »Du musst nicht.«
»Doch, ich muss«, sagte sie. »Ich hätte es schon vor einer Ewigkeit tun sollen. Aber ich habe es nicht fertiggebracht. Und die Zeit ist wie im Flug vergangen. Aber jetzt gibtâs keine Entschuldigung mehr. Ich bin hier. Dann kann ich genauso gut auch reingehen.«
Sie lieÃen ihre Helme auf dem Motorradsitz liegen. Als Mason das Eingangstor öffnete, quietschte es laut. Ihre Schritte hallten auf dem Pflaster wider, als sie den kleinen Weg zum Haus entlanggingen. Mason spürte, wie angespannt Aries war, und fragte sich, ob er sich genauso gefühlt hätte, wenn er zu seinem Haus in Saskatoon zurückgekehrt wäre. Doch das würde nicht geschehen, in einer Million Jahren nicht. Er hatte das Haus niedergebrannt, als er es vor so vielen Wochen verlassen hatte. Ein Teil von ihm war froh, dass er es getan hatte. Wenigstens würde er jetzt nie einen Grund haben zurückzugehen.
Du kannst nicht mehr zurück. Nie mehr.
Aries hielt einen Schlüsselbund in der Hand, an dem ein kleiner Plüschhund mit Knopfaugen hing. Sie hatte ihn aus der Tasche gezogen, bevor ihr aufgefallen war, dass sie ihn gar nicht brauchte. Die Haustür stand ein paar Zentimeter offen. Beide hoben die Schlagstöcke, die sie immer bei sich hatten, wenn sie unterwegs waren. Michael und er hatten sie ein paar toten Polizisten abgenommen, die sie in einem Streifenwagen in Kitsilano gefunden hatten. Sie hatten auch nach Schusswaffen gesucht, doch die hatte längst schon jemand anders mitgenommen. Schlagstöcke waren wenigstens nicht so unhandlich wie Baseballschläger. Schade, dass sie nicht ausreichend viele Stöcke für alle gefunden hatten.
Gute Waffen waren schwer zu bekommen.
»Sie waren hier, stimmtâs?«, fragte sie. Mit »sie« meinte sie die Ungeheuer, die von Haus zu Haus gezogen waren und alles durchsucht hatten. Aries hatte es selbst gesehen â als sie und ihre Freunde sich ganz am Anfang der Veränderungen in einer Garage versteckt und beobachtet hatten, wie die Hetzer Leute aus ihren Häusern gezerrt und mitten auf der StraÃe getötet hatten.
»Ich weià nicht«, sagte Mason. »Vielleicht. Wirkt ziemlich sauber. Ich sehe kein Blut. Aber das hat nichts zu bedeuten. Es hat viel geregnet.«
Sie lieà die Schultern hängen. Ihm wurde sofort klar, dass er das Falsche gesagt hatte. Bis zu diesem Moment hatte sie noch Hoffnung gehabt. Die Hoffnung, nach Hause zu kommen und ihre Eltern anzutreffen. Die Hoffnung auf Umarmungen und Tränen. Alles wäre wieder so gewesen, wie es hätte sein sollen. Doch die offene Tür und Masons beiläufige Bemerkung hatten die Illusion zerstört.
»Es tut mir leid«, sagte er.
Sie drehte sich um und sah ihn an. »Warum? Du bist nicht schuld.«
»Es kann sein, dass du
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