R4ge Inside
nicht das findest, wonach du suchst. Manches, das man sieht, kann man nicht mehr vergessen. Egal, wie sehr man es sich wünscht, es lässt einen nicht mehr los.«
Aries sah ihm direkt in die Augen. Er hielt ihrem Blick stand, während sie ihn musterte. »Ist dir das passiert?« Sie blickte auf seine Hand. Ein Hetzer hatte ihm die Finger gebrochen. »Tutâs noch weh?«
Er beugte die Finger. Sofort schoss ihm ein dumpfer Schmerz in den Arm. Viel hatte er nicht tun können. SchlieÃlich war es ja schlecht möglich gewesen, in ein Krankenhaus zu gehen und sich behandeln zu lassen. Clementine hatte seine Finger mit ein paar Bandagen zusammengebunden, die sie in der Drogerieabteilung eines Safeway gefunden hatten.
»Ein bisschen. Vor allem, wenn es regnet. Vermutlich sind die Knochen nicht richtig zusammengewachsen.«
»Möchtest du darüber reden?«
Er schüttelte den Kopf. Was an dem Tag passiert war, ging nur Daniel und ihn etwas an. Das Wichtigste war, dass sie die Hetzer so lange aufgehalten hatten wie nötig. Fürs Erste waren sie in Sicherheit. Aries war zäh und er hatte keinen Zweifel daran, dass sie verstehen würde, was sie hatten tun müssen, um zu überleben. Sie alle hatten Blut an den Händen. Sonst hätten sie es nie bis hierher geschafft.
Aber er war noch nicht so weit, dass er ihr etwas über sich erzählen konnte. Sie wusste nichts über seine Vergangenheit und das sollte auch so bleiben. Niemand würde je etwas darüber erfahren, wo er herkam, was mit seiner Mom passiert war und ganz bestimmt nicht, was mit Chickadee gewesen war.
»Verstehe«, antwortete sie. Er sah, dass es nicht so war.
»Soll ich drauÃen warten?« Für ihn war es eine Verletzung ihrer Privatsphäre. Er hätte nie zugelassen, dass jemand ihn dabei begleitete. Er hätte es ganz allein tun müssen.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, im Freien ist es nicht sicher. Ich bin okay. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich werde jetzt nicht ausflippen und zusammenbrechen oder so. Ich bin genauso stark wie du.«
»Ich kenn dich zwar nicht sehr gut, aber das stimmt«, sagte er.
»Na, dann los.« Sie gab der Tür einen leichten Schubs. Sofort schlug ihnen Verwesungsgeruch entgegen. Das war kein gutes Zeichen.
Doch Mason wusste, dass Aries sich durch nichts würde aufhalten lassen. Erhobenen Hauptes trat sie durch die Tür. Er zögerte, dann folgte er ihr ins Haus.
Als sie drin waren, bröckelte Ariesâ Selbstbeherrschung. Sie rannte den Flur hinunter und verschwand um die Ecke. Mason folgte ihr, den Schlagstock hoch über den Kopf gehoben.
Das Wohnzimmer war dunkel und kalt. Staubkörnchen schwebten in dem spärlichen Licht, das durch die geschlossenen Jalousien drang.
»Mom? Dad?« Ariesâ Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
Niemand antwortete. Das Zimmer fühlte sich leer an. Unbenutzt. Wo auch immer Ariesâ Eltern waren, Mason war sich hundertprozentig sicher, dass sie nicht im Haus waren.
Zumindest nicht in einem Zustand, den man als lebendig bezeichnen konnte.
Vor dem Kamin entdeckten sie eingetrocknete Blutspritzer auf dem cremefarbenen Teppich.
Aries drehte sich um und rannte an Mason vorbei aus dem Zimmer. Er hörte ihre Schritte, als sie die Treppe nach oben lief. Mit einem Seufzer ging er ans Fenster und schob die Lamellen der Jalousie ein Stück auseinander. Auf der StraÃe war immer noch nichts zu sehen. Ein gutes Zeichen. Aber sie waren erst seit etwa fünf Minuten im Haus. Das Motorrad war zwar klein, doch es machte Lärm und erregte die Aufmerksamkeit von Leuten, die alles andere als nett waren. Es war sehr wahrscheinlich, dass sie bereits beobachtet wurden.
Sicherheit ging vor.
Er ging langsam die Treppe hoch, während er hörte, wie Aries Türen aufriss und Schlafzimmer durchsuchte. Oben auf der Galerie sah er mehrere weiÃe Türen vor sich. Er war sich nicht sicher, in welchem Zimmer sie gerade war, daher machte er einfach die Tür auf, die ihm am nächsten war. Er sah ein groÃes Schlafzimmer vor sich, in dem vieles auf ein Blutbad hindeutete. Ein zerrissenes, blutverschmiertes Hemd. Ein blutiger Handabdruck an der Wand. Eine Blutspur, die durch eine Tür in ein kleines, pfirsichfarbenes Bad führte. Ein zerbrochener Spiegel.
Aber keine Leichen.
Er fand Aries in einem Raum, der früher offenbar ihr Zimmer gewesen war. Sie stand
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