Rabenflüstern (German Edition)
sich gegenseitig mit Erzählungen über eigene Ruhmestaten und skurrilen Weibergeschichten. Es dauerte nicht lange, da kniete der Zwerg vor Lou nieder und hielt grinsend um ihre Hand an. Sie lächelte, zog ihn auf die Beine und versprach, darüber nachzudenken. Zufrieden wiederholte er die Gebärde bei Heikhe, die nicht so recht wusste, wie sie reagieren sollte. Rhoderik sprang in die Bresche, ließ sich ebenfalls auf die Knie sinken und bat um Bretels Hand. Lautes Gelächter war die Folge.
In dem Gewölbe wurde es zunehmend stickiger. An der hohen, gebogenen Decke kondensierten die Ausdünstungen der Feiernden. Doch kaum einer bemerkte die Tropfen und jene, die es merkten, störten sich nicht daran.
Auch Sedain hatte weit über den Durst getrunken. In einer Absicht, die Kraeh nicht erriet und eigentlich gar nicht näher wissen wollte – der Halbelf war im Suff unausstehlich und vor allem streitsüchtig –, hatte er erst am Tresen mit den beiden Einheimischen geredet und sie dann an das Ende seines Tisches eingeladen. Die beiden Männer waren blond wie der Wirt, hatten nahe beieinanderliegende Schweinchenaugen und waren vielleicht sogar noch betrunkener als Sedain, der allerhand blödsinnige Fragen stellte. Sie sagten, sie kämen aus Mont, hätten sich hier aber bis auf Weiteres zur Ruhe gesetzt. Verschwörerisch zwinkerte Sedain seinem Freund zu. Ihm war nicht klar, was er von ihm wollte, tat aber so, als amüsiere er sich ebenfalls über das Geschwafel, das der Freund den beiden entlockte.
»Und darum«, lallte der eine mit erhobenem Zeigefinger, »kann man sagen, Frauen sind genauso beschaffen wie Schnappmuscheln.«
Kraeh nahm verdrossen einen Schluck aus der Rumflasche in seiner Hand.
»Erzähl noch mal das von den Toten«, forderte der Halbelf, nachdem er seinen Freund flüchtig vorgestellt hatte. Der hatte die Namen der beiden schon in dem Moment vergessen, nachdem er sie gehört hatte.
»Die Toten, ja …«, setzte derjenige an, aus dessen Bart, hätte man ihn ausgewrungen, leicht ein Büffelhorn Ale zu gewinnen gewesen wäre, »… in kalten Nächten denken die meisten, Väterchen Frost oder einfach nur die Willkür der Natur ließe sie an den Beinen frösteln. Manche Schlauberger meinen sogar, die warme Luft steige an die Decke, weil es ihr oben eben besser gefällt.«
»Was natürlich völliger Schwachsinn ist«, unterstrich Sedain grinsend die ihm schon bekannte Annahme.
»Richtig erkannt«, sagte jetzt der andere. »All die Seelen jener, die unehrenhaft gestorben sind«, fuhr er belehrend fort, »Diebe, Mörder, Vergewaltiger können weder ins eine noch ins andere Jenseits. Immerfort irren sie durch die Welt der Lebenden. Da und doch nicht wirklich da. Weil sie sich alle nach der Lust des Lebens sehnen, gehen sie dorthin, wo es am schönsten ist.«
»Wie hier. In einer Taverne«, setzte er nach einer Pause hinzu, die unheimlich wirken sollte.
Gebannt von der Geschichte, bemerkte Kraeh plötzlich die Gänsehaut an seinen Waden. Unwillkürlich zog er die Beine an.
»Wegen ihrer Zerrissenheit – von oben gezogen, von unten gedrückt – bewegen sie sich nur kriechend. Die warme Luft flieht sie, verwehrt ihren flehenden Stimmen die Bitte nach einer Rückkehr.«
Der Halbelf schnippte mit den Fingern. »Na, was habe ich gesagt?«
Kraeh hatte nicht die leiseste Ahnung. Er verstand nicht, dass sein Freund auf einen Beweis der Einfalt der Einheimischen aus war, wie er ihn angekündigt hatte, er wusste nur, dass es ihm für heute genug war mit solcherlei Spielereien.
Die allgemeine Aufbruchstimmung, die sich infolge von Bretels Schwärmereien für ein nahe gelegenes Freudenhaus breitmachte, kam ihm gerade recht. Sedain fragte ihn, ob er nicht mitkommen wolle, doch er winkte bloß ab und wünschte den anderen viel Spaß. Rhoderik bat darum, er möge sich Heikhes annehmen, was Kraeh gerne tat.
Zu dritt, denn Lou war ja ohnehin von dem Hurengang ausgeschlossen, machten sie sich auf den Rückweg. Sie würden diese und die folgende Nacht auf dem Schiff schlafen; das sparte bare Münze und war wohl auch der sicherste Platz in Haagstadt.
Es war bereits lange nach Mitternacht.
Obwohl sie es heftig abstritt, war Heikhe die Müdigkeit deutlich anzusehen.
Die Straßen waren menschenleer und so erklärte sie sich unter Ausschluss weiterer Zeugen widerstrebend bereit, sich von dem weißhaarigen Krieger tragen zu lassen.
Als sie die Fraja erreicht hatten, schlief das
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