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Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
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seine Überlegungen aber beiseite; vorerst musste sich ihr Blick nach vorne richten. Um die Politik der Fürstentümer würde er sich wieder kümmern, wenn er mit dem Lia Fail zurückkehrte. 
     
    Der Strom, der, wie Thorwik meinte, hier nicht mehr Rhein genannt wurde, war gefährlich schmal geworden. Kraeh hatte sich in den zwei vorangegangenen Tagen stets gefragt, wie in dieser flachen Gegend Menschen leben konnten. Seit ihrem letzten Halt war die höchste Erhebung nicht über die Höhe eines brisakschen Hauses hinausgegangen. Sedain hatte eine Theorie zum Besten gegeben, die besagte, dass von der Flachheit der Landschaft unweigerlich auf die Flachheit im Geiste der hier ansässigen Menschen zu schließen sei, und versprach, dies beim nächsten Landgang zu beweisen. 
    Die Sonne stand tief, als die beiden Freunde sich gemeinsam mit allen anderen, die noch nie im Leben das Meer gesehen hatten, am Bug der Fraja einfanden. Durch das gleichmäßige Eintauchen der Ruder in Rucken nach vorne gezogen, umfuhr das Schiff ein kleines, von Felsen umzäuntes Wäldchen, und da war es. 
    In unendlicher Weite lag es ruhig und glatt vor ihnen, obwohl eine scharfe Brise durch ihre Haare fuhr. Der Kapitän brüllte Befehle, die kaum zu den Versammelten durchdrangen. In stiller Versunkenheit blickten sie den gigantischen Wassermassen entgegen, auf deren spiegelglatter Oberfläche die Sonnenstrahlen tanzten. 
    In einem gekonnten Manöver löste sich die Fraja aus der Strömung des Flusses und drehte in den Wind. 
    Erst jetzt wurden sie der Stadt gewahr, auf die sie nun direkt zusteuerten. Niedrige Dächer, aus denen vereinzelt spitze Türme und glänzende Kuppeln herausragten, breiteten sich auf einer dünnen Landzunge aus. Der letzte Posten der Zivilisation vor der Unendlichkeit von Himmel und Ozean. 
    Sie bogen in ein breites Becken ein, das innerhalb der Stadtmauer den Hafen bildete. Einige andere Schiffe verschiedenster Größen und Erscheinung lagen vor Anker. Zwei prachtvolle Schnellsegler, dämonische Fratzen als Galionsfiguren schmückten sie, standen auf Stelzen in Trockendocks, wo sie neu kalfatert wurden. Trotz der späten Stunde herrschte reges Treiben. Ladungen wurden gelöscht, Taue geknüpft und aus den Schenken dröhnte der Lärm trunkener Seeleute. Die nichtmenschlichen Individuen verrichteten niedere Arbeiten. Trolle luden mit ihren langen, kräftigen Armen Baumstämme von einem Ochsenkarren, Orks schleppten Säcke, die von weit her kommen mussten, da der Wind eine Note von Kaffeebohnen herübertrug, einige Gnome bemalten ein ausgelegtes Segel in den Farben eines unbekannten Wappens. Die einzige Ausnahme stellte ein wohlgenährter Zwerg dar. Wütend ließ er einen Hammer auf ein rot glühendes Stück Eisen niedersausen, das auf einem Amboss neben seiner Esse lag. Genau auf ihn hielten sie zu. Sie verspürten einen leichten Ruck, als der Rumpf der Fraja gegen die Hafenmauer stieß. Schnell sprangen Matrosen hinüber auf die Mauer und vertäuten das Schiff. Thorwik folgte ihnen mit einem gewagten Satz, fluchte, weil er beim Aufprall kurz das Gleichgewicht verlor und lief dann schnurstracks auf den Zwerg zu. Die anderen standen immer noch am Bug und beobachteten den Kapitän. Der Zwerg, dessen freier Oberkörper von borstigem Brusthaar beinahe schwarz war, legte den Hammer beiseite, stieß das Eisen in einen zischenden Wasserkübel und setzte ein breites Grinsen auf. Er muss stinken wie ein ganzer Schweinestall, dachte Sedain, aber Thorwik schien sich nicht daran zu stören. Er ließ sich in eine herzliche Umarmung fallen, in welcher der Schmied ihm heftig auf den Rücken klopfte. 
    »Bretel, du alter Beutelschneider!«, rief Thorwik erfreut. »Ich hatte gehofft, dass du noch hier bist.« Auch einige der Matrosen waren hinzugetreten und schüttelten ihm die Hand. Er kannte jeden beim Namen, erkundigte sich nach Familien, beglückwünschte frisch gewordene Väter und brachte die meisten mit derben Sprüchen zum Lachen. Auf einen Wink hin kamen zwei schlaksige Gehilfen herbei, die er anwies, sie in seiner Stammtaverne anzukündigen. Jetzt kletterten auch Kraeh, Lou, Heikhe und Rhoderik vom Schiff, gefolgt von den Soldaten. 
    »Ein stattlicher Haufen«, brummte der Zwerg, nachdem er jeden einzelnen mit Handschlag willkommen geheißen hatte. Lou und das Mädchen bekamen, ehe sie sich versahen, zusätzlich einen feuchten Handkuss. 
    »Bretel ist ein alter Freund«, warf der Kapitän erklärend ein. 
    »Und wie es

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