Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)
mochte ich, hattest das Leben schon in deinen Augen, in den Linien in deinem Gesicht. Das mochte ich.
Irgendwann, Tonio, hast du mich in deinen Tanz gezogen, du hast meine Hand genommen und mich zu dir geholt und da war ich schon längst in dich verliebt, schon längst, in deine kühle leichte Hand, die mir immer wieder das Haar aus dem Gesicht strich, in deine Augen, in dich, Tonio, verliebt in dich mit Haut und Haar.
Irgendwann sind wir aus dem Lokal hinaus, du hast mich hinter dir hergezogen, wir sind an die Isar, unter irgendeine Brücke. »Denk dir, es ist die Donau«, hast du gesagt, »denk dir, es ist unsere Donau. In unserer Stadt. Dann fühlst du dich mehr daheim.«
»Aber ich fühle mich ohnehin daheim«, hab ich gesagt und gedacht: Jetzt, mit dir; und dann habe ich mich zum Wasser gedreht. Ich habe deine Augen nicht mehr auf mir ertragen, denn deine Augen haben alles gesehen, alles.
Die Donau. Ja, hier nun die Donau. Mein Fluss. Ich werde zurückkehren. Ich werde Jonas verlassen und zurückkehren. Alles ist schon getan. Nichts Neues mehr unter der französischen Sonne. Aber hier. An der Kühle der Donau. Wo alles begonnen hat, auch wenn es die Isar war. Aber er sagte: Denk dir, es ist die Donau. Und es war die Donau.
Wie lange habe ich nicht gewagt, mich zu ihm umzudrehen, in jener Nacht, unter dieser Brücke, vom Wasser zu ihm, und er ließ mir die Zeit, er ließ mir alle Zeit der Welt. Seine Augen haben mich umschlungen, haben meine Knie angesengt, meinen Nacken verbrannt. Ich habe das alles gespürt. Seine Augen, Pfeile, spitze Messer, haben sich festgehakt, Wirbel um Wirbel, strichen über meine Schulterblätter, über meinen Hals, in meine Haare, verwandelten mein Gehirn in eine dunkle Masse breiiger Gedanken.
Hast mir Zeit gelassen, Tonio, und auch wieder nicht, alle Zeit der Welt und keine. Die Welt war so groß und zugleich nur ein Mandelkern. Die Zeit war so viel und zugleich nur ein Augenblick. Ich habe dich geliebt, von der ersten Sekunde an.
Irgendwann kam er, leise wie ein Tier. Als seine Hand mich berührte, kühl, leicht die Wölbung zwischen Schulter und Hals entlangstrich, hielt ich ihm stand, weil es mir vertraut vorkam und richtig, weil es mein Sehnen erfüllte. »Du bist so flaumig, Hanna«, flüsterte er mir ins Ohr, »du bist so flaumig wie ein frisches Biskuit.«
Ich musste lachen, ein bisschen nervös, ein bisschen hysterisch. Im Wasser spiegelte sich gerade noch die Sonne, verblassend schon zerfiel sie in perlendes Orange, während ich seinen Atem an meinem Ohr spürte, während ich hörte, dass er sagte, er wolle … er wolle so gerne …
»Meine Hanna«, hast du gesagt, Tonio, »meine Hanna, hab ich dich also gefunden.« »Meine Hanna«, hast du gesagt, Tonio, und deine Sanftmut nahm mir den Atem.
So hat es angefangen.
30 Hanna ist das Zentrum , schrieb Gertrud in das rote Buch, und das ist nicht neu, das ist ja immer so gewesen, der Punkt, um den sich alles dreht, den wir umkreisen wie Tiger ein Stück Fleisch. Aber ich weiß, ich werde letztendlich verlieren, die Krümel jedoch, die sie für mich hat, weil sie glücklich ist und sich in diesem Glück nach allen Seiten verströmt, diese Krümel sind allen Schmerz wert …
Sie wussten nichts von der Liebe und ihrer Gewalt. Sie waren jung, fast noch Kinder, sie konnten nichts ahnen, was hätten sie ahnen sollen.
Drei Menschen, einander hilflos ausgeliefert, ahnungslos sich zerstörend, maßlos im Anspruch an das Leben und die Liebe. Sie waren glücklich, alle drei, wenn auch nur für kurze Zeit, selbst Gertrud. Gierig nahm sie, was Hanna im Überschwang ihres Gefühls für Tonio verströmte und er, der eigentlich ein Störenfried war, ein Eindringling, weckte eine Liebe, die es sonst nicht gegeben hätte und die sie alle drei mit der Gewissheit durchdrang, sie seien füreinander geschaffen.
Sie machten sich voneinander abhängig, stürzten sich in dieses Gefühl der Gefangenschaft, denn es schien schwerelos und klar. Es machte glücklich, und war da auch ein Hauch von Angst und der Anflug einer Ahnung, dass dieses Glück nicht von Dauer sein konnte, so wollten sie das nicht glauben. Sie hatten sich abhängig gemacht – voneinander und von dem, was sie in sich spürten. Sich abhängig machen von etwas oder jemandem – das aber war doch am allerwenigsten, was sie gesucht hatten, was sie wollten. Freiheit – heißt es bei Janis Joplin – sei nur ein anderes Wort für nichts zu verlieren haben . Sie jedoch
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