Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)
Sie war ziemlich erstaunt, als da plötzlich Gertrud stand und einzuräumen begann. Das ist auch noch gar nicht lange her. Ein gutes Jahr. Vorher war Gertrud wohl daheim bei dem kleinen Moritz. Also, sie ist rübergegangen, die Stockinger, und hat die Nachbarin begrüßt und auf einen Kaffee eingeladen, und plötzlich war es Gertrud aus München. Und die war gar nicht besonders erfreut über die alte Bekannte. Hat eine Weile gedauert, bis sie den angebotenen Kaffee getrunken hat. Sie hatten auch nicht sonderlich viel Kontakt. Gertrud kam erst in den letzten Wochen öfter ins Café.«
»Wollte halt nicht an die Vergangenheit erinnert werden«, überlegte Franza, »was ich jetzt nicht sehr verwunderlich finde bei all dem, was passiert ist. Also ich freue mich auch nicht unbedingt, wenn ich auf Zeugen meiner Niederlagen in der Vergangenheit treffe.«
Arthur zuckte die Schultern, nickte.
»Gut«, sagte Felix. »Viel zu tun, Leute. Sauviel zu tun.«
Sie streckten sich noch ein bisschen in der milden Septembersonne, gaben sich ihren Gedanken hin. Die Welt, dachte Franza, die Welt fließt immer wieder ein bisschen ins Nichts.
Felix nahm den Faden wieder auf. »Hatte Hanna das eigentlich vor? In die Welt hinauszuziehen?«
Auch wieder zurück, dachte Franza, sie fließt auch wieder zurück, aber nicht alle können sich darauf verlassen.
Arthur schüttelte den Kopf. »Also die Stockinger meinte nein. Sie war ja noch mitten im Studium, hatte keinen Abschluss. Schien ein rascher Entschluss gewesen zu sein. Wohl eine Schockreaktion, wenn ihr mich fragt, nachdem der Freund plötzlich tot war.«
»Ja«, sagte Franza, »das entspricht in etwa dem, was Frau Brendler mir auch erzählt hat. Hanna ist wohl eine Weile gereist, sie meinte zwei Jahre etwa, wusste das aber dann nicht genau. Der Kontakt war abgerissen und sie konnten ihn auch nicht mehr herstellen.«
»Was da wohl genau in Griechenland passiert ist?«, fragte Felix nachdenklich. »Würde mich sehr interessieren. Ob da der Schlüssel liegt?«
»Wir werden morgen über Interpol die griechischen Kollegen kontaktieren«, sagte Franza, »und ein bisschen nachfragen. Die werden damals ja wohl untersucht haben, wie das geschehen konnte.«
»Hab ich mir schon erlaubt zu veranlassen, Chefin«, grinste Arthur ein bisschen verlegen. Franza nickte anerkennend. »Guuut!«, sagte sie, »guter Junge!« und lächelte. Die Kollegen nickten.
Arthur ergriff erneut das Wort. »Ja«, sagte er, »und ich habe noch was. Ihr erinnert euch doch an den Kerl, der zweimal hintereinander ins Café kam und sich als Gertruds Besucher ausgab?«
Alle nickten und Arthur verkündete: »Durch diesen Mann sind wir überhaupt erst auf Tonio gekommen. Denn als wir mit dem Phantombild fertig waren, wurde die Stockinger plötzlich ganz blass und meinte …«, Arthur machte eine dramaturgisch wichtige Pause, »das sei …«, wieder Pause, »Tonio.«
»Ach«, sagte Franza.
»Wow«, sagte Hansen.
Felix pfiff durch die Zähne.
»Aber der kann’s natürlich nicht sein«, fuhr Arthur fort, »denn der ist ja tot. Ertrunken in Griechenland. Vor zweiundzwanzig Jahren. Außerdem, wenn er es wäre, dann hätte sie ihn vielleicht gar nicht erkannt, da er ja dann doch um eben diese zweiundzwanzig Jahre älter wäre und auch entsprechend anders aussähe. Ich meine«, sagte er, stellte sich neben Felix, lächelte ihn treuherzig an und fügte an Franza gerichtet hinzu, »zwischen ihm und mir ist doch ein Unterschied, oder?«
»Ja«, sagte Franza und musste ein bisschen grinsen, »ja, definitiv! Zweiundzwanzig Jahre machen wirklich was aus.«
Felix warf Franza einen grimmigen Blick zu. »Verräterin!« Und zu Arthur gewandt: »Ich wünsche dir, mein Lieber, dass du ganz schlecht alterst!«
Arthur lachte. »Ja, Chef, ich werde es mir zu Herzen nehmen.«
Sie dachten nach. Ein Sohn also vielleicht. Ein jüngerer Bruder. Eher ein Sohn. Einer aus einem vorigen Leben.
»Haben wir den Nachnamen von diesem Tonio?«
»Haben wir.«
»Gut. Verwandtschaften feststellen.«
»Wird allerdings schwierig, falls dieser vermeintliche Nachkomme einen anderen Familiennamen trägt. Was durchaus im Bereich des Möglichen liegt.«
»Na ja, vielleicht haben wir Glück. Braucht der Mensch doch auch mal.«
Felix’ Handy klingelte. Er holte es heraus, es war neu, ein BlackBerry.
»Ach«, sagte Franza.
»Wow«, sagte Hansen.
Arthur pfiff durch die Zähne.
Felix lächelte milde, schaute auf das Display und ging ein paar
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