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Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Titel: Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Kreslehner
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schon weg von daheim, wir waren schon in München, Gertrud und ich. Es gab da dieses Lokal, das war wie eine Enklave unserer Stadt, in die wir nur noch an den Wochenenden fuhren. Dieses Lokal, »Renates Inn« , es war der Treffpunkt all unserer Freunde, die es genauso wie uns aus dem Kleinstadtmief weggetrieben hatte, hier suchten wir das Leben bei Guinness, bayrischen Brezeln und spanischen Törtchen und hier fand uns Tonio.
    Es ist schwer. So viele Bilder in meinem Kopf. Der Regen jetzt. Ich schwimme. Das Wasser trägt mich, ganz leicht, ganz selbstverständlich. Es ist merkwürdig, aber ich habe nie das Vertrauen ins Wasser verloren. Das Wasser ist immer mein Element geblieben.
    Seit ich diesen Brief bekommen habe, Tonios Brief an mich, einen seiner vielen Briefe, seit sein Sohn, von dem er mir nie erzählt hat, mir diesen Brief noch einmal geschickt hat, seither ist die Geschichte wieder lebendig geworden.
    Ich habe nichts mehr gewusst, nichts all diese Jahre hindurch. Alles war in einem tiefen Dunkel verborgen, einem Nebel. Aber dieser Brief … brachte alles zurück, jede Kleinigkeit, jedes Detail, und ich wollte wissen, was ich vergessen hatte.
    Er ist ein guter Schwimmer gewesen. Er hat das Wasser mit kräftigen Armen und Beinen geteilt, er war schnell, viel schneller als ich. Aber ertrunken ist er. Jetzt weiß ich endlich, warum.
    Ob ich es nicht verstehen kann, hast du mich gefragt, Gertrud. Verstehen …?
    Ich weiß nicht. Was kann man mit dem Kopf klären, wenn im Herzen eine tiefe Wunde ist?
    Jetzt liegt alles wie ein offenes Buch vor mir. Jetzt weiß ich, Gertrud, dass du mich irgendwann nicht mehr wie eine Schwester geliebt hast. Damals hab ich es … vielleicht geahnt. Aber ich konnte mich an dir nicht verlieren. Nur an Tonio. Nur an ihm. Nur an seinem Körper.
    Vielleicht hätte ich sagen sollen: Geh nach Nürnberg, Gertrud! Oder nach Hamburg. Oder nach Köln. Häng dein Leben nicht an mich. Nicht dein Herz. Denn es wird verbrennen.
    Aber ich habe nichts gesagt.
    Deine Mutter wohl, ich weiß das. Und sie hatte recht, Gertrud, aber sie konnte uns auch nicht helfen.
    Verstehen heißt verstehen, aber nicht verzeihen. Zwei Tote nun. Doch zurück. An den Anfang. Oder besser in die Mitte. »Renates Inn«.
    28 »Renates Inn«.
    Renate musste lächeln, wenn sie daran dachte. Ihr erstes Lokal war das gewesen. Ihr erstes eigenes Lokal.
    »Woran denkst du denn, meine Schöne!«, sagte Vasco und legte Renate von hinten die Arme um die Schultern. Sie beugte den Kopf zurück und dankte Gott für diesen Mann und seine Kraft, die ihr Leben um so vieles leichter machte.
    »Kannst du dich noch erinnern«, fragte sie, »an München? An Hanna und Gertrud?«
    »Gertrud«, sagte er, »die Töpferin«, und deutete auf die andere Straßenseite, »die jetzt umgebracht worden ist. Natürlich kann ich mich an sie erinnern.«
    »Nein, ich meine damals. In München. Im »Renates Inn«. Sie war immer gemeinsam mit Hanna da. Ihrer Freundin. Oder ihrer Schwester. Wie auch immer.«
    Er musste nicht nachdenken. »Ja«, sagte er, »sie waren jeden Tag da. Ich erinnere mich gut. Eine Rothaarige. Kühl. Distanziert irgendwie. Gar nicht mein Typ. Hielt Gertrud immer ein bisschen auf Abstand. Und die hat das ganz schwer ertragen.«
    »Das weißt du alles noch?«
    Sie drehte sich zu ihm um, schaute ihn überrascht an.
    Er lächelte. »Ja«, sagte er, »warum nicht? Sie hat mir wirklich leidgetan damals, dieses Mädchen. Hatte so gar keine Chance. Hanna hatte wohl ein Herz aus Stein. Bis …«
    »… Tonio kam«, sagte Renate und nickte. »Bis Tonio kam.«
    29 Und dann tanzte er, mein Tonio. Ließ den ganzen Körper sich austoben. Sog die Musik auf, fiel hinein, bewegte sich unter den flirrenden Lichtern, erfüllt vom stampfenden Takt.
    Kühl und einsam waren alle um ihn herum – glitzernde, namenlose Nachtgeschöpfe. Nur Tonio nicht.
    Tonio war … echt.
    Ich bin wie vom Schlag gerührt stehen geblieben. Ich habe ihn angestarrt, fassungslos, bestürzt, dass jemand so sehr er selber sein konnte und das auch noch zur Schau stellte, schamlos und ungezügelt. Ich habe mich festgestarrt, habe Zeit und Raum vergessen, es war, als käme er aus einer anderen Welt.
    Wie schön das Wasser ist, wie schön dieser Fluss, ich hatte das vergessen. Wie konnte ich ertragen, so lange nicht hier zu sein? Jetzt erst weiß ich, wie sehr ich es vermisst habe.
    Warst nicht mehr ganz jung, Tonio, das mochte ich, hattest mir ein paar Jahre voraus, das

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