'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
dem Fenster in der Westwand stand eine Kommode. Das war alles. Mehr gab es nicht zu sehen. Keine Stühle, keine Lampen, keine Nachttische.
Dafür aber Blut. Jede Menge Blut.
Sowohl das Bettlaken als auch das Bettgestell waren in dunkles Rot getüncht. Mehrere Blutspritzer befanden sich auch auf dem Boden neben dem Bett und an der Wand dahinter.
So ist der Täter also weiter vorgegangen, erkannte Nora bestürzt. Er hat das Mädchen in dieses Schlafzimmer geschleppt und mit Schnüren oder Bändern an das Bett gefesselt. Hat er es dann sofort gefoltert? Oder hat er seine Vorfreude auf perverse Weise gesteigert, indem er in Ruhe neben dem Mädchen gesessen und dessen Angst genossen hat?
„Wir haben bereits Blutproben entnommen, um sie ins Labor zu schicken“, verkündete die Männerstimme, die Nora und Tommy eben herübergerufen hatte. Sie gehörte dem jungen Kriminaltechniker Benjamin Fund, einem pummeligen Rotschopf mit giraffenartigem Hals. Er stand vor dem Bett und sah die Ermittler über seine Schulter hinweg an. „Aber wir gehen davon aus, dass das Blut ausschließlich vom Opfer stammt. In Anbetracht der hiesigen Zimmertemperatur und der Tatsache, dass es teilweise schon eingetrocknet ist, schätzen wir, dass es vier oder fünf Stunden alt ist.“
Nora nickte, während sie den grässlichen Anblick nach und nach verdaute.
„Ich habe Sie allerdings nicht wegen des Blutes gerufen“, fuhr Fund missmutig fort. Er drehte sich um und deutete mit dem Zeigefinger auf die Wand hinter Nora.
„Was soll denn das bedeuten?“, stieß sie aus, nachdem auch sie sich umgedreht hatte.
Auf der weißen Tapete standen in schwarzer Farbe und in einigem Abstand zueinander die Ziffern 1, 0 und 8 geschrieben.
„Diese Ziffern waren zum Großteil hinter dem Wandschrank versteckt“, setzte Fund die Kommissare in Kenntnis. „Wir haben den Schrank eben beiseite geschoben, weil wir die rechte Hälfte der Ziffer 8 erkennen konnten. Natürlich werden wir nachprüfen, welchen Farbton und welche Pinselart der Mörder verwendet hat, aber ich befürchte, dass diese Spuren Sie nicht sonderlich weiterbringen werden. Zumal wir noch nicht einmal eine Faser oder ein Haar vom Täter gefunden haben. Er wird also erst recht keine spezielle Farbe oder außergewöhnliche Pinselart benutzt haben.“
„Ihr habt weder einen Pinsel noch einen Farbeimer hier gefunden?“, vergewisserte Tommy sich.
„Weder noch“, bestätigte Fund.
„Das scheint mir ein eindeutiger Hinweis darauf zu sein, dass der Täter genau gewusst hat, was er machte. Offensichtlich hatte er den Mord im Voraus geplant. Er hat sowohl die Farbe als auch den Pinsel mit zum Tatort gebracht und die Sachen anschließend wieder verschwinden lassen. Auch die Tatsache, dass er uns mit seiner Schuhgröße in die Irre leiten will, spricht für diese Annahme.“
Nora pflichtete Tommys Überlegungen bei, fragte jedoch ratlos: „Aber was sollen uns diese Ziffern sagen? Und was hat es mit den eingeritzten Initialen im Nacken des Opfers auf sich?“
„Die Ziffern könnten ein Datum sein“, spekulierte Contento. „10.8 - der zehnte August. Das wäre in fünf Tagen.“
„Aber hätte der Täter die Ziffern dann nicht enger aneinander geschrieben und einen Punkt zwischen die zehn und die acht gesetzt?“
Rafael besah sich die Ziffern erneut. Der Abstand zwischen ihnen erschien tatsächlich zu groß, als dass sie ein Datum hätten darstellen können. Doch was sollten sie dann bedeuten?
Während Contento über dieser Frage brütete, wollte Tommy von Fund wissen: „Habt ihr die Brieftasche oder das Handy des Opfers gefunden?“
Der Kriminaltechniker verneinte.
„Auch keine Seile oder Bänder? Am Opfer befinden sich nämlich Fesselspuren an Arm- und Fußgelenken.“
Fund schüttelte den Kopf. „Auch Tatmesser und Tatpistole konnten wir nicht finden. A llerdings gibt es etwas anderes, das Sie sich anschauen sollten.“ Er ging hinüber zum Wandschrank und öffnete dessen Türen. Daraufhin trat er wieder zurück, um den Ermittlern eine freie Sicht in den Schrank zu gewähren.
Irritiert sahen die drei in das Möbelstück hinein. Sie entdeckten lediglich ein mit Klebstoff befestigtes Foto im DIN-A4-Format und einen karierten Zettel an der Hinterwand.
Das Bild stellte eine Vergrößerung des Fotos dar, das auf der Internetseite der Polizeidirektion unter Noras Eintrag zu finden war. Es zeigte ihren Kopf in Großaufnahme. Der schlanke Körper war nicht zu sehen. Ihr charmantes,
Weitere Kostenlose Bücher