'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
Engagement hatte sie zwar schon an der einen oder anderen Führung teilgenommen, doch um sich wirklich in diesem Bücherhaufen zurechtfinden zu können, müsste sie wahrscheinlich noch einige weitere Semester erfolgreich absolvieren.
Sie war allerdings guter Hoffnung, dass ihr dies auch gelingen würde. Immerhin war sie auf dem Goethe-Gymnasium in Kassel eine erstklassige Schülerin gewesen und hatte bisher auch alle Uni-Prüfungen mit Bravour bestanden. Gewiss stand ihr eine vielversprechende germanistische Laufbahn bevor.
Vorausgesetzt, dass sie nicht eines Nachmittages in einer gigantischen Universitätsbibliothek ermordet wurde.
Franziska hatte blaue Augen und eine äußerst durchtrainierte Figur. Ihre Hobbys waren die Malerei und die Musik. Allerdings hatte sie schon vor einiger Zeit feststellen müssen, dass ihr intensives Deutsch- und Geschichtsstudium kaum noch Zeit für ihre Hobbys übrig ließ. Zwar hörte sie regelmäßig von Bekannten und Verwandten, die selbst niemals ein Studium durchlaufen hatten, dass das Studentenleben eine überaus angenehme Zeit darstelle. Aber sie wusste es besser. Wer heutzutage ein Bachelor- und Masterstudium erfolgreich bestreiten wollte, der musste sich dafür ordentlich ins Zeug legen: Referate vorbereiten, Essays anfertigen, Klausuren schreiben, Hausarbeiten verfassen - und jede einzelne Note machte bereits einen Anteil der Abschlussnote in fünf oder sechs Jahren aus.
Ein tolles System! Einfach klasse!
Auf ihrem Weg zur gesuchten Signatur dachte Franziska an einen weiteren Spruch, den sie von ihren Bekannten stets zu hören bekam: ‚Du studierst also Deutsch und Geschichte? Hm, und was wird man damit?’
Da Franziska eine Karriere als Lehrerin für sich ausschloss, schien es für die meisten ihrer Bekannten keinen Beruf zu geben, für den sie sich mit ihrer Fächerkombination qualifizierte. Dabei standen ihr nach einem erfolgreichen Abschluss ihres Studiums neben der Medienlandschaft unter anderem das Verlags- und Lektoratsgewerbe offen.
Die Leute sollten sich mehr um ihre eigenen Probleme kümmern, anstatt sich mit meiner Zukunft zu beschäftigen. Ich werde meinen Weg schon gehen und ein wunderbares Leben führen. Mit einem attraktiven Ehemann, zwei aufgeweckten Kindern und einem tollen Job. Ganz bestimmt.
Nachdem die Studentin unzählige Bücherregale hinter sich gelassen hatte, gelangte sie endlich bei ihrem Ziel an: An der nächsten Regalwand haftete ein Zettel, der ihre Signatur als eines der letzten Bücher dieses Abschnitts auswies.
Voller Vorfreude stolzierte sie zum Ende des Regals und überflog dort die vielen Bücher, bis sie ihre gesuchte Signatur erreichte.
Doch das gewünschte Werk befand sich nicht an Ort und Stelle.
Was soll denn dieser Mist?! Laut Computersystem ist das Buch doch verfügbar! Jetzt habe ich den langen Weg in diesen Keller extra auf mich genommen, suche dieses Regal ab und dann ist das dumme Ding nicht da! Welcher Idiot hat das Buch denn nicht korrekt zurückgestellt? Immer dasselbe!
Ihre Enttäuschung wandelte sich rasch in Wut. Seit jeher hatte Franziska eine aufbrausende Persönlichkeit. Wenn etwas nicht so funktionierte wie sie es sich vorstellte, dann konnte sie sehr schnell zum Tier werden. Und in diesem Moment spürte sie ihren Ärger über das verlegte Werk deutlich in sich hochkochen.
Ich kann doch wohl verlangen, dass ein Buch, das laut Computersystem hier unten stehen sollte, auch an Ort und Stelle zu finden ist! Will mich hier irgendjemand auf den Arm nehmen? Kann ich nicht ...?!
Metallisches Klimpern ließ Franziska in ihren Gedanken innehalten. Sie drehte sich um und legte die Stirn in Falten. „Hallo. Was gibt es?“
„Nicht viel“, erhielt sie als Antwort.
Im nächsten Moment sah die Studentin, wodurch das metallische Klimpern erzeugt wurde: Ihr Gegenüber hielt ein Messer in der Hand und schlug dessen Klinge wiederholt gegen die Außenwand des Bücherregals.
„Wozu braucht man denn hier unten ein Messer? Um jemanden umzubringen?“, fragte Franziska mit einem ironischen Unterton.
Zu ihrem Unglück schätzte sie die Situation nicht richtig ein. Wäre sie dazu in der Lage gewesen, dann würde sie jetzt schon rennen. Und schreien.
Und nicht sterben.
3
Nora Feldts Leben glich einem Scherbenhaufen: Im Jahr 2006 wurde ihr ehemaliger Gatte Max zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und zwei Monaten verurteilt, weil er während des Mordes an einem 80-jährigen Rentner Schmiere gestanden hatte. In der
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