'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
doch nicht ansatzweise so klug und hübsch wie ich! Warum sieht er das nicht ein?! Warum muss ich ihm das auf die harte Tour beibringen?!
Von ihren hasserfüllten Gedanken benebelt, warf Xenia ihr Fernglas ins Gebüsch am Straßenrand. Dann machte sie kehrt und schritt zurück in die Richtung, aus der sie soeben gekommen war. Dabei griff sie in ihre Hosentasche, holte ein Foto heraus und betrachtete es mit einem diebischen Lächeln.
Mal sehen, was deine Frau von mir hält, Ralf!
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Montag, 23. April 2012
Es ist sehr leicht, einen Mord zu begehen. Mir fallen spontan mehr als zehn Arten ein, um einen Menschen zu töten. Und es wird wahrscheinlich noch viel mehr Möglichkeiten geben, jemanden für immer unter die Erde zu bringen. Der interessante Punkt daran ist, dass es in Sachen Mord weder Alters- noch Geschlechtsgrenzen gibt. Ein 12-Jähriger kann genauso gut einen 80-Jährigen umbringen wie eine 60-Jährige eine 8-Jährige. Im Grunde kann jeder Mensch einer anderen Person das Leben nehmen. Weil es dazu also keiner außergewöhnlichen Fähigkeiten bedarf, denken einige Leute, dass ein Mord kein Kunstwerk sei. Doch ich sehe das anders. Zwar stimme ich grundsätzlich zu, dass der eigentliche Akt nichts Besonderes ist. Jedoch kommt es meiner Meinung nach auch nicht auf die Tat, sondern auf den Plan dahinter an. Wenn zum Beispiel ein Mann seine Gattin erschießt, weil diese ihn mit einem anderen Kerl betrogen hat, dann wird es nicht lange dauern, bis die Polizei diesen Fall aufklärt. Denn das Motiv des Täters liegt auf der Hand. Und da er aufgrund der Demütigung wahrscheinlich überaus wütend agierte, wird er am Tatort den einen oder anderen Fehler begangen haben. Aus diesem Grund wird eine Vielzahl aller Mordfälle innerhalb kurzer Zeit gelöst.
Anders ist das natürlich bei den Taten eines Wahnsinnigen. Falls ein Geisteskranker einen fremden Menschen im Wahn ermordet, dann könnte er damit ungeschoren davonkommen. Ein solcher Täter wird zwar ebenfalls einige Fehler am Tatort begehen, aber da es keine Verbindung zwischen ihm und dem Opfer gibt, dürfte es für die ermittelnden Beamten äußerst schwierig werden, ihn zu schnappen.
Für diese beiden Mordformen ist keine spezielle Intelligenz von Nöten. Es sind Taten, die jeder x-beliebige Penner begehen könnte. Aus diesem Grund kann ich es generell nachvollziehen, wenn manche Menschen davon überzeugt sind, dass ein Mord kein Kunstwerk darstellt; zumal es zu viele Beispiele von Morden gibt, die von erbärmlichen Kreaturen begangen wurden. Von Personen, die gar nicht begriffen haben, dass ein Mord mehrere Wochen Planung voraussetzt.
Ich hingegen weiß das. In meinen Augen ist ein Mord nämlich sehr wohl ein Kunstwerk. Immerhin geht es dabei um die Details. Es gilt so viele Dinge vor der Tat zu bedenken. Und es gibt so viele Wege, um während der Tat falsche Fährten auszustreuen. Das werde ich beweisen.
Jetzt.
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Franziska Zucker wusste in diesem Moment noch nicht, dass sie bereits in zwei Minuten sterben würde. Lebensfroh und glücklich schritt die Studentin durch den Bibliothekskeller der Göttinger Universität und ahnte nicht das Geringste von ihrem baldigen Ableben.
Wie viele Bücher sind das hier eigentlich? Das müssen mehrere Millionen sein! Unfassbar!
Völlig überwältigt von der Masse an Werken, die in dem gigantischen Bücherkeller standen, linste Franziska auf einen Zettel, den sie in der rechten Hand hielt. Auf diesem stand in ihrer Handschrift lediglich eine Zeile geschrieben: 2011 A 3427.
Diese Signatur sollte sie laut Auskunft der Bibliotheksdatenbank zum Werk Der Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe führen, das sie für einen Germanistik-Professor besorgen musste, für den sie seit zwei Monaten als Hilfswissenschaftlerin tätig war.
Doch leider führte diese Signatur die 21-Jährige auch direkt in ihr Verderben.
Franziska strich sich über ihre blonden Haare. Dabei sah sie sich noch immer beeindruckt um.
Selbst wenn ich mein ganzes Leben ausschließlich dem Lesen dieser Bücher widmen würde, hätte ich mit neunzig Jahren noch nicht einmal die Hälfte aller Schätze hier verschlungen. Zahllose Theorien, Abhandlungen und Rezensionen! Eine Welt des Wissens steht mir hier zur Verfügung! Das ist einfach wunderbar!
Obwohl Franziska vor kurzer Zeit bereits ihr drittes Semester an der Georg-August-Universität begonnen hatte, kannte sie sich in dem riesigen Bibliotheksirrgarten noch nicht besonders gut aus. Voller Eifer und
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