'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
Hoffnung:
„Es hat einen Mord gegeben! Dabei werde ich deine Hilfe brauchen!“, rief er ihr zu, ehe er sich an seiner vier Zentimeter langen Narbe auf der Stirn kratzte. Diese hatte er sich bereits als Kind zugezogen. Damals hatte er mit seinem besten Freund Räuber und Gendarm gespielt und war dabei so unglücklich auf einen Stein gefallen, dass er umgehend ins Krankenhaus befördert und genäht werden musste. Dem Ergebnis dieses Tages verdankte er noch heute seinen einprägsamen Spitznamen: Scarface .
Nora sah ihn erschöpft an. „Einen Mord?“
„So ist es. Es wird höchste Zeit für dich, endlich wieder an die Arbeit zu gehen. Du musst ins Leben zurückfinden. Irgendwie wird es weitergehen. Der Job ist dafür wie geschaffen. Er wird dich ablenken.“ Thomas gelangte bei ihr an und stellte sich neben ihren Stuhl. „Eine Studentin namens Franziska Zucker wurde im Bücherkeller der Universitätsbibliothek ermordet. Ich habe dem Schwergewicht versprochen, dass ich dich persönlich zum Tatort mitbringe. Und ich halte meine Versprechen immer ein, wie du weißt.“
Mit dem Schwergewicht meinte Tommy ihren gemeinsamen Vorgesetzten Frederik Kortmann, der fast 270 Pfund auf die Waage brachte.
Nora schüttelte den Kopf. „Ich kann noch nicht wieder an die Arbeit gehen. Dazu bin ich noch nicht in der Lage. Vielleicht werde ich nie wieder -“
„So etwas will ich gar nicht erst hören“, fiel Tommy ihr ins Wort. „In den vergangenen vier Monaten hast du dich fast nur noch in deinem Haus verkrochen. Das kann so nicht weitergehen. Ich weiß genau, wie viel Timo dir bedeutet hat. Aber du kannst nichts an seinem Tod ändern, so schmerzlich das für dich auch sein mag. Und es ist schon gar nicht deine Schuld gewesen. Timo würde sich jetzt ebenfalls wünschen, dass du endlich wieder dein Leben aufnimmst und glücklich wirst.“
„Du kannst nicht ansatzweise nachvollziehen, wie sehr ich ihn geliebt habe. Wie könntest du auch? Du warst noch nie richtig verliebt! Du weißt gar nicht, was wahre Liebe ist. Für dich ist alles nur ein Spiel! Das ganze Leben bedeutet dir kaum -“ Sie brach diesen Satz ab, als sie bemerkte, wie aufbrausend und ungerecht sie wurde. „Es ... es tut mir leid. Das war nicht so gemeint. Ich bin einfach vollkommen erledigt. Nimm es mir bitte nicht übel.“
„Ist schon gut. Denn im Grunde hast du recht. Ich war tatsächlich noch nie richtig verliebt. Bisher habe ich noch keine Frau kennengelernt, der ich derart starke Gefühle gegenüber entwickelt hätte. Daher kann ich wahrscheinlich wirklich nicht nachfühlen, was du für Timo empfunden hast. Aber ich weiß ganz sicher, dass du nicht für den Rest deines Lebens in Trauer und Selbstmitleid versinken darfst. Du musst dich wieder um einen geregelten Tagesablauf bemühen und dich mit diesem Schicksalsschlag abfinden. Du darfst dich nicht aufgeben. Das wäre der größte Fehler, den du machen könntest.“
„Ich fühle mich Timo gegenüber verpflichtet, um ihn zu trauern.“
„Das verstehe ich sehr gut. Du denkst womöglich, dass du ein schlechter Mensch wärst, wenn du nicht angemessen um ihn trauerst. Schließlich hast du ihm deine ganze Liebe gegeben. Vielleicht befürchtest du sogar, dass andere Leute mit dem Finger auf dich zeigen und behaupten könnten, dass du Timo gar nicht wirklich geliebt hättest, falls du seinen Tod nicht lange genug betrauerst. Aber du musst niemandem etwas beweisen. In meinen Augen läufst du Gefahr, innerlich selbst zu sterben, wenn du dich nicht endlich wieder aufraffst, um dich deinem Leben zu stellen.“
Tränen lösten sich in Noras Augenwinkeln. „Jeden Tag sehe ich Timo vor meinem geistigen Auge. Ich sehe ihn als Erstes, wenn ich aufwache und als Letztes, bevor ich einschlafe. Zudem sehe ich ihn tagsüber immer wieder in diesem Krankenhausbett liegen und verzweifelt um sein Leben kämpfen. In meiner Vorstellung wacht er auf, redet mit mir, wirft mir vor, dass ich die Schuld an seinem Tod trage.“
„Es ist nicht Timo, der dir diese Vorwürfe macht. Du selbst bist es, die ihm diese Wörter in den Mund legt. Dein Gewissen redet dir ein, dass Timo dir die Schuld an seinem Autounfall geben könnte. Und das nur, weil ihr kurz zuvor einen Streit hattet. Doch das ist Blödsinn. Könnte Timo dir in diesem Moment eine Nachricht zukommen lassen, dann würde diese wie folgt lauten: ‚Du trägst keine Schuld an meinem Unfalltod. Nimm das Leben wieder in deine Hände und genieße es! Aber vergiss mich nicht.
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