'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
nicht geöffnet. Im Zimmer war es wieder still.
„Na schön. Dann also auf die harte Tour! Achtung, fertig, los!“ Nora schnappte sich ihre Dienstwaffe und ließ das Holz der Tür mit zwei kräftigen Tritten zersplittern. Im selben Augenblick realisierten die Gäste auf dem Flur, was soeben geschah. Viele schrien vor Angst, als sie Noras Waffe sahen, und rannten hinab ins Erdgeschoss. Einigen gelang es schneller, andere brauchten einige Sekunden, um sich in Bewegung zu setzen. Wieder andere wurden in der Panik von den flüchtenden Gästen mitgeschleift.
Nora kümmerte sich jedoch nicht um den Aufruhr hinter sich. Sie schritt konzentriert vor und konnte nicht glauben, was sie in Marias Zimmer vorfand.
Der Raum war hell erleuchtet und fast vierzig Quadratmeter groß. Ein Bett stand an der Ostwand unter einem Fenster. Zwei Kleiderschränke befanden sich daneben. Die pinkfarbenen Tapeten verliehen dem Zimmer eine kindliche Atmosphäre.
Doch all diese Details nahm Nora nur bedingt wahr. Sie starrte wie in Trance auf die beiden Personen, die in inniger Umarmung auf dem Bett lagen.
„Verschwinden Sie! Hauen Sie ab“, keiften die beiden im Chor, ehe sie ihre Umarmung lösten und vom Bett sprangen.
Nora schüttelte verwirrt den Kopf. „Was ... was ist denn ...?!“
„Es ist nicht so, wie es aussieht! Das müssen Sie mir glauben!“, schrie Saskia Langenmeier. Im nächsten Moment rauschte sie wie der Wind auf Nora zu, stieß sie zur Seite und verschwand im Flur, um zur Treppe zu rennen.
Nora wusste gar nicht, wie ihr geschah. Sie blickte Saskia kurz hinterher. Dann sah sie die andere Person im Raum an.
„Genau, es ist anders! Ganz anders!“
„Ich vertraue meinen Augen“, gab Nora von sich, nachdem sie sich wieder einigermaßen gefangen hatte. „Ich habe damit kein Problem. Ich bin lediglich überrascht, weil ich damit nicht gerechnet habe.“
Maria Ranz trat einen Schritt vor. „Das hören wir oft.“
„Aber deswegen hätte Saskia doch nicht weglaufen müssen. Oder schämt sie sich etwa?“
„Nein, wir schämen uns nicht für unsere Beziehung. Es ist nur so, dass Saskias Mutter eine sehr konservative Frau ist. Nahezu jeden Tag lässt sie in Saskias Gegenwart einen Kommentar fallen, der eindeutig darauf abzielt, dass sie endlich Enkelkinder haben möchte. Deshalb hat Saskia ihr noch nichts von ihrer Homosexualität erzählt. Aber der psychologische Druck lässt sie immer wahnsinniger werden.“
Nora verstand. „Das ist sicherlich nicht leicht für sie. Ich nehme an, dass sie ihre Mutter nicht ‚enttäuschen’ möchte.“
„Das ist wahr. Ich würde mir natürlich wünschen, dass Saskias Mutter nicht so verbohrt wäre und wir offen zu unserer Beziehung stehen könnten. Aber ich weiß genau, wie sie reagieren würde, wenn sie herausfindet, dass ihre Tochter lesbisch ist. Das würde sie nicht verkraften. Wahrscheinlich würde sie Saskia sogar verstoßen. Und da heißt es immer, dass wir in einem freien Land leben.“ Sie blickte Nora skeptisch an. „Aber könnten Sie mir vielleicht mal erklären, warum Sie die Tür eingetreten haben? Was wollen Sie hier? Worum geht es?“
„Meine Kollegen und ich haben Grund zu der Annahme, dass Sie in großer Gefahr schweben.“
„Ich? Wieso das denn?“
„Es könnte sein, dass die gesuchte Mörderin es auf Sie abgesehen hat und jeden Moment zuschlägt.“
„Wie bitte? Sie spinnen wohl! Das ist absolut lächerlich. Ich gebe hier die Party des Jahrhunderts! Wir wollen alle ein wenig feiern und Spaß haben. Also verschonen Sie mich mit solchen Schauermärchen, okay?!“
„Dieser Tumult bildet die perfekte Umgebung für die Mörderin. Sie kann in der Menge untertauchen.“
„Ich glaube Ihnen kein Wort. Wer sollte es denn sein? Wer will mich umbringen?“
„Kennen Sie Xenia Boll?“
„Xenia Boll? Ich glaube, diesen Namen schon einmal irgendwo gehört zu haben. Vielleicht war ich mal mit ihr in einem Seminar an der Uni. Kann das sein?“
„Ja, Xenia ist ebenfalls Germanistikstudentin.“
„Schön und gut. Aber wieso sollte sie mich -“ Aus heiterem Himmel hielt Maria inne. Ihr Atem beschleunigte sich. Sie riss ihre Augen auf.
„Was ist los?!“, fragte Nora. „Was haben Sie? Reden Sie mit mir!“
Maria hob den rechten Arm. Offenbar wollte sie in die Richtung hinter Nora zeigen. Doch dazu kam sie nicht mehr.
Denn in der nächsten Sekunde fielen zwei Schüsse.
47
Maria Ranz wurde durch die Wucht der beiden Kugeln, die sie in der Brust trafen,
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