Rache: Die Eingeschworenen 4
gewesen war. Verwundert sah er es an, dann nahm er es, spürte sein Gewicht und wusste, was es war. Doch zunächst stieß er beim Anblick der Seide einen Pfiff aus. » Man sagt, dass die von Würmern gesponnen wird«, sagte er bewundernd. » Ich kenne viele Würmer, aber die machen nur Dreck und sind nur als Köder an der Angel zu gebrauchen…« Er grinste. » Nicht schlecht, wenn man sein Schwert in einer Verpackung überreicht bekommt, die allein halb so viel wert ist wie die Scheide.«
» Die Seide kannst du verkaufen, und die Klinge wird dir helfen, deinen Besitz zu verteidigen. Nimm beides, und nutze es, um nach Hause zu kommen«, knurrte ich, finsterer, als ich es beabsichtigt hatte. » Und nimm Pall mit, der nützt mir etwa so viel wie ein Loch im Kopf. Ich überlasse es dir, was du mit ihm machst.«
Das war seine Belohnung für den Einsatz mit dem Sax in diesem Dorf, aber das brauchte keiner von uns zu erwähnen. Und als das Schiff sanft an einen der strahlenförmigen Landungsstege gestoßen war, sprang er lachend über den Bordrand und winkte zurück. Pall, weniger geschickt, dafür aber umso eifriger, kletterte hinter ihm her und warf mit einem Fluch seinen Strick fort.
» Ist das die Weisheit eines Jarls, die ich hier erlebe?«, fragte Finn, der neben mir erschien, als die Riemen krachend zu Boden fielen und die Männer durcheinanderliefen und die Kurze Schlange festmachten. » Ist das Teil deines Planes? Soll ich hinterhergehen und die Sache beenden?«
Ich entgegnete ihm, es sei in dieser Angelegenheit schon so viel Blut geflossen, dass selbst Odins Durst fürs Erste gelöscht sein müsste. Er zuckte nur die Schultern.
» Vielleicht sorgt ja Loki dafür, dass den beiden die Kehle durchgeschnitten wird, ehe sie zu König Eirik kommen. Und bis dahin wird dir auch eine plausible Erklärung für Jarl Brand eingefallen sein.«
Es würde ausreichen, wenn ich ihm seinen Sohn zurückbrachte, dachte ich. Ich blickte hinter Styrbjörn her, bis er zwischen den Menschen auf den hölzernen Stegen verschwunden war. Er war hochgewachsen und schlank, und trotz seiner Jugend und Unerfahrenheit sah man ihm an, dass ihm womöglich noch Großes bevorstand. Ich glaubte jedenfalls nicht, dass es sein Wyrd war, die Kehle durchgeschnitten zu bekommen.
Die Männer sprangen aus dem Schiff, und mir fiel auf, dass sie mühelos auf den Landungssteg kamen, denn normalerweise musste man erst eine halbe Mannshöhe hochklettern, um einen Pier wie diesen zu erreichen, aber jetzt war der Flusspegel angestiegen.
» Ganz richtig«, sagte Trollaskegg, als er sah, wie ich den regenschweren Himmel musterte. » Ich rieche Gewitter. Dort hinter dem Nebel sind Berge, und ich wette, dort trampelt Thor schon herum und schleudert Mjölnir durch die Gegend.«
» Macht nichts«, sagte Krähenbein unternehmungslustig, » denn hier sitzen wir warm und trocken, zumindest für eine Nacht.«
Die Umstehenden stimmten ihm zu und freuten sich darauf, ihre Umhänge, Tuniken und Stiefel endlich an einem ordentlichen Feuer gründlich trocknen zu können, bei leckerem Essen und genug Bier, um die blutige Wolke zu verjagen, die wie ein aufdringlicher Fliegenschwarm über uns schwebte.
Ich war unruhiger, als ich es mir anmerken ließ, denn Palls Rudergefährten waren entkommen, und er hatte ja gesagt, sie würden flussaufwärts fahren, um die Sachsen zu warnen.
Ich hatte mir überlegt, dass, wenn wir unbewaffnet, aber dafür mit reichlich Silber versehen auftreten würden, es die Sachsen nicht übermäßig stören würde. Aber wir waren allein an diesem Landeplatz, und die Menschen sahen argwöhnisch nach allen Seiten und bewegten sich zwischen den geschlossenen Türen und Fenstern der Häuser vorsichtig wie Hunde, die nach Abfällen suchen. In der Ferne sah ich Männer in Lederpanzern und mit Speeren. Vor ihnen stand ein Mann, der einen Stab hielt.
» Sollten wir uns zum Kampf bereit machen, Orm?«, fragte Aljoscha. Ich schüttelte den Kopf. Bisher war uns niemand zu nahe gekommen, weder Händler noch Soldaten, und ich vermutete, dass man erst einmal abwarten wollte.
Ich befahl ihnen, das Schiff zu entladen und die Pelze und das Vadmaltuch auf dem Kai aufzustapeln. Die friedliche Beschäftigung– und die Aussicht auf gute Geschäfte– mochte dafür sorgen, dass sie das Misstrauen uns gegenüber verloren. Aber sicher war ich mir da nicht.
Eine Weile saßen wir fröstelnd im Regen und warteten ab. Die Männer wurden immer ungeduldiger, und ihre
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