Rache: Die Eingeschworenen 4
und eine Fliege hatte sich darauf niedergelassen.
Kapitel 14
Jetzt wurde die Landschaft zu beiden Seiten der Oder hügeliger. Weiden und Ulmen säumten die Ufer, weißstämmige Birken und Sträucher, die später voller Beeren sein würden. Der Fluss hatte so wenig Strömung, dass er der Kurzen Schlange kaum Widerstand bot. Aber die Ruderer sangen nicht mehr, und über die Beute konnten sie sich auch nicht recht freuen, obwohl sie vorher protestiert hatten, weil ich nicht auf Raubzug gehen wollte.
Wir hatten Biber-, Marder und Eichhörnchenpelze erbeutet, Vadmaltuch, das im Winter gewebt und zusammen mit fettigen Schaffellen aufgerollt worden war, damit es wasserabweisend wurde, sowie gekardete Wolle, fertig zum Weben.
Jetzt hatten wir Hammel-, Lamm- und Rindfleisch, denn wir hatten alle Tiere des Dorfes geschlachtet. Wir hatten Tonnen mit Gemüse und Töpfe voll Honig, mit Wachs versiegelt. Wir hatten auch Bier, das allerdings alt war und schon etwas bitter schmeckte. Wir hatten sogar ein stärkeres Getränk gefunden, das an den grünen Wein von Holmgard erinnerte, ein klarer Branntwein aus Korn– aber es reichte nicht aus, um uns vergessen zu lassen, was wir in diesem namenlosen Dorf angerichtet hatten.
Wir luden alles ein und stopften die Kurze Schlange so voll, dass sie anfing, gefährlich zu schwanken. Die Männer schienen der Meinung zu sein, je mehr wir mitnahmen, desto leichter sei unser Verhalten zu rechtfertigen. Doch für einige von uns war die einzige Rechtfertigung, dass wir hinterher Hlenni auf einen Scheiterhaufen gelegt hatten, neben ihn Koghe, und zu ihren Füßen Blauhut. Dann schütten wir alles Lampenöl darüber, das wir finden konnten, wir verspritzten das teure Zeug wie Wasser, denn dies war keine Beerdigung, die Freya gewidmet war, sondern es war eine Verbrennung, die Hlenni und Koghe auf direktem Weg zu Odin bringen würde, wie sie es verdienten. Es war ein Leuchtfeuer, das tagelang zu sehen sein würde, wie einige ängstlich zu bedenken gaben.
Es waren unsere einzigen Verluste gewesen. Der griesgrämige Gudmund hatte eine Heugabel in den Bauch bekommen und Yan Alf war mit der flachen Seite eines hölzernen Spatens am Kopf getroffen worden– noch dazu von einer Frau, was ihn doppelt ärgerte–, aber dafür hatte er auch nichts weiter als einen schönen lila Bluterguss.
Wir hatten einhundertvierundsiebzig Menschen getötet, Frauen und Kinder eingerechnet. Jetzt war uns allen übel, wie nach einem Julfest, das zu lange gedauert hat und wo andere einem hinterher erzählen, wie gut man sich amüsiert hat, weil man selbst sich nicht mehr daran erinnern kann. Wo einem noch lange danach alles wie Asche schmeckt und man nicht fähig ist, klar zu denken.
Noch schlimmer war, zumindest für mich, dass hier viel zu viel Blut vergossen worden war, als sei alles in ein großes, schwarzes Loch in der Erde geflossen, in den Abgrund, vor dem Bruder Johannes mich immer gewarnt hatte, weil er meinte, ich würde dort enden. Derselbe Abgrund, der sich vor mir aufgetan hatte, als ich dem Berserker die Kehle durchbiss.
Ich fühlte mich wie ein Steventier mit seinem ewig aufgerissenen Maul. Unfähig, meinen Gesichtsausdruck zu verändern, konnte ich zu allem, was passiert war, nur zustimmend nicken. Ich sah das Tier an, wo es jetzt lag, nachdem es vorher stolz unseren Bug geziert hatte. Jetzt schien es nicht mehr viel Sinn zu machen, wenn wir versuchten, die Geister dieses Landes freundlicher zu stimmen. Mir war es lieber, wenn sie uns fürchteten.
Hinter einer Biegung im Fluss sahen und rochen wir Anzeichen für eine große Siedlung am Westufer.
Wie Pall sagte, war es die Wendenburg Sztetëno. Er war noch immer gefesselt und entweder an einen von uns oder an den Mast gebunden, aber er hatte eine gewisse Höflichkeit uns gegenüber entwickelt und grinste beim Anblick dieses Ortes, während er mit einem Knochensplitter Fleischfasern aus seinen Zahnlücken pulte.
» Sie mögen die Menschen am Ostufer nicht«, teilte er uns mit. » Vielleicht werden sie uns dankbar sein, dass wir diese Trolle ausgeräuchert haben.«
» Glaubst du diesem Maulwurf?«, fragte Styrbjörn verächtlich, und ich sah erst den einen, dann den anderen an.
» Ich habe ein kleines Messer, das mir schon die Wahrheit sagen wird«, erwiderte ich, worauf Pall seine verbundene Hand ansah und die Stirn runzelte. Styrbjörn lachte, und ich drehte mich um und übergab ihm ein langes Bündel, in verblichene Seide gewickelt, die einst blau
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