Rache: Die Eingeschworenen 4
Laune drohte zu kippen, weil ich sie immer noch zurückhielt. Ich wollte erst einen Beweis dafür, dass wir willkommen waren, ehe ich diese wilden Gesellen auf die Stadt losließ.
Natürlich war es nicht hilfreich, dass die Düfte von gebratenem Fleisch und leckeren Eintöpfen zu uns herüberwehten, noch dass die Fischer ihre Waren anpriesen, Aale, die man kaufen und gleich hier zubereiten lassen konnte. Über uns schrien die Möwen– die wurden besser gefüttert als wir Eingeschworenen, wie Bjaelfi mürrisch bemerkte.
Ein Mann kam den Landungssteg entlang, er sah nicht auf, bis er uns bemerkte und feststellte, dass er allein war und offenbar eine unsichtbare Grenze überschritten hatte, die alle anderen zurückhielt. Er erschrak so sehr, dass er einen Schritt zurückwich und im Schlamm landete, in dem einer seiner Schuhe stecken blieb. Fluchend fischte er ihn wieder heraus und hinkte davon.
Ein kleiner Junge riss sich von der Mutter los und rannte lachend und mit ausgestreckten Händen auf uns zu, sie fing ihn wieder ein und funkelte uns wütend an, als seien wir daran schuld. Selbst die Hunde drückten sich knurrend und mit eingezogenem Schwanz an uns vorbei.
Wir warteten, und die Düfte von Dingen, die wir so lange entbehrt hatten, trieben uns fast in den Wahnsinn, gebratener Fisch und heiße Backöfen und frisch gebrautes Bier– aber auch Jauchegruben und Misthaufen. Einige Männer fingen an sich zu beklagen, und Murrough erklärte laut und deutlich, wenn er nicht bald etwas Fisch und Brot und Bier bekäme, würde er den nächsten Hund, der vorbeikäme, mit Haut und Haaren auffressen.
Plötzlich erschien der Mann mit dem Stab; mit langen Schritten kam er auf uns zu. Die Männer lachten und stießen Murrough an und machten ihn darauf aufmerksam, dass seine Mahlzeit angekommen sei. Der Mann, ein Graubart in rotem, besticktem Gewand mit blauem Umhang, der an einer Schulter mit einer großen Fibel zusammengehalten wurde, blieb überrascht stehen und sah uns verunsichert an.
» Willkommen«, sagte er endlich. Aus der Nähe sah ich, dass sein Stab mit kunstvoller Schnitzerei verziert war; in sein gerundetes oberes Ende war ein großer gelber Stein eingelassen.
» Ihr braucht keine Landegebühr zu bezahlen«, sagte er und es klang, als spreche er das Nordisch nur höchst widerwillig.
» Gebühren? Was für Gebühren?«, fragte Trollaskegg aggressiv.
» Liegegebühren«, erklärte ich ihm, und er spuckte aus, wobei er den Stab des Mannes nur knapp verfehlte. Der Beamte blickte pikiert zu Boden.
» Ich zahle keine Liegegebühren«, erklärte Trollaskegg bockig und verschränkte die Arme.
» Genau das hat er ja grade gesagt«, sagte ich genervt und Trollaskegg, der sich nicht sicher war, ob er jetzt gewonnen hatte oder nicht, nickte knurrend und entschied sich dafür, dass er der Sieger sei.
Der Beamte deutete mit dem Kopf eine knappe Verbeugung an und kehrte um, wobei er von den anstürmenden Händlern, die jetzt herandrängten, fast umgerissen wurde. Es war ein wilder Haufen von Hökern, die sich um uns scharten und ihre Waren auf Filzunterlagen oder Tüchern ausbreiteten, die bei den Schmuckhändlern natürlich dunkelfarbig waren.
Sie boten Kämme und Nadeln und Broschen aus Knochen und Elfenbein an, auch einige silberne Schmuckstücke aus Serkland, mit Bernstein und glitzernden Steinen besetzt; und die Eingeschworenen drängten sich darum und suchten Tauschgegenstände und sogar Hacksilber hervor, denn wenn es um Schmuck ging, waren diese hartgesottenen Männer wie Elstern.
Doch die Händler waren tüchtig, denn auch wenn sämtliche Edelsteine aus Glas waren, wussten sie doch zu jedem Stück eine Geschichte zu erzählen. Es machte auch nichts aus, dass sie von einem Kunden zum nächsten vergaßen, welche Geschichte sie zu welchem Stück erzählt hatten, aber wenn diese Geschichten wahr gewesen wären, dann trug jedes Schmuckstück eine geheime Kraft in sich, die selbst der unfruchtbarsten Frau zu Söhnen verhalf und jeden Mann hart wie einen Schiffskiel machte, solange seine Frau es trug, wenn sie sonst nichts anhatte.
Die Menschen glauben, was sie glauben möchten, das ist eine Schwäche, die man ausnutzen kann, genau wie jede andere auch. Die Götter wissen das ebenso, und besonders Odin.
Allmählich zerstreuten sich die Männer und gingen auf die Suche nach Essen, Bier und Frauen. Ich feilschte noch eine Weile um den Preis für die Pelze und das Vadmaltuch und wusste, dass man mich betrog, aber es
Weitere Kostenlose Bücher