Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers
verschob sich meine Berlinfahrt höchstens um acht bis neun Tage und darin sah ich für Irma keinen Grund, vor mir zu kapitulieren. Am liebsten hätte ich gegen ihre Tür getreten. Ich tröstete mich jedoch damit, dass sie als Frau nicht unbedingt der Renner war. Aus ihrer Wohnung quoll Zigarettenrauch. Möglicherweise hatte sie Besuch, der rauchte. Ursprünglich wollte Irma mit diesem Laster brechen. Ich tröstete mich damit, dass sie es nicht geschafft hat. Und weil mich wieder der dumpfe Schmerz in der linken Seite plagte, ließ ich gedanklich von ihr ab.
Molotow-Cocktails sind ungenießbar
Ich bin während des Neuerwerbs eines PKW auf einen Opel-Kadett Karavan umgestiegen. Erstens war dieses Fahrzeug sehr preiswert und zweitens konnte ich damit sogar einen Schreibsekretär transportieren. Nachteilig waren natürlich die sechzig Pferdestärken unter der Motorhaube, die mein Gefährt ziemlich lahm machten. Erst nach ca. fünf Minuten Fahrt erreichte man damit um die einhundertsechzig Stundenkilometer. Immerhin – im Notfall konnte ich darin in ausgestreckter Lage übernachten! Das war so aber nicht vorgesehen, denn Hasan bot mir Logis in seinem Kreuzberger Wohndomizil an. Allerdings war dieses Mal ein ganz brutaler Nachtflohmarkt angesagt. Für mich waren Nachtschichten schon früher der blanke Wahnsinn. Vielleicht sollte ich einen Nachtflohmarkt auch nicht mit einer Nachtschicht vergleichen, in der man produktive Arbeit zu leisten hatte. Wie geplant – ich startete also Sonnabend früh gegen Acht, um meine Reise nach Berlin anzutreten – ohne Irma! Alles was an Kleinkram während meines Unfalls unbeschädigt blieb, nahm ich natürlich mit. Als ich in Kreuzberg eintraf, wurde mir ein jubelnder Empfang bereitet. Dabei ging es nicht etwa nur um meine Person, sondern mehr um die noch fehlende Arbeitskraft für das Verladen und Abtransportieren notwendigen Flohmarktinventars. Wir luden eine Unmenge Tapeziertafeln und Tische auf einen LKW. Dann folgten Mikrowellen und Kaffeemaschinen, sowie Besteck und Geschirr. Anschließend donnerten wir rüber nach Neukölln und entluden den LKW. Für solche nächtlichen Unternehmen diente eine Großmarkthalle, die sonst ungenutzt war. Gegen Mittag waren alle Vorbereitungen für den Verkauf abgeschlossen. Hasan lud mich danach zum Mittagessen ein. Es gab tatsächlich auch das so genannte Izgara-Köfte, also die Hackfleischbällchen mit Kartoffeln und Tomatensoße. In diese Tomatensoße schmiss Hasans Frau mindestens einen Pfefferoni und ließ das Ganze ziehen. Anschließend gab es eine Art Pflaumenwein, den ich wegen eventueller Verkehrskontrollen sicherheitshalber ablehnte. Hasan meinte, man müsse nur zügig durch den Straßenverkehr rollen, um wegen zu vorsichtiger Fahrweise nicht aufzufallen. Darin lag irgendwie Logik, denn unser übernächster Nachbar Leichsenring wurde wegen übertriebener Fahrakkuratesse aus dem Leipziger Stadtverkehr gegriffen. Es stellte sich heraus, dass er nicht mehr in der Lage war, einen Schritt vor den anderen zu setzten. Komisch, mit seinem PKW fand er sich im Stadtverkehr noch einigermaßen zurecht. Jedenfalls blieb ich dabei, keinen Schluck dieses Gesöffes zu mir zu nehmen, vor allem deshalb, weil mir mein letztes PKW-Desaster immer noch im Kopf rumorte.
Der Flohmarktbetrieb lief schon gegen Abend auf Hochtouren. Einer meiner Tapeziertische war schon abgeräumt. Besonderes Augenmerk legten die Kunden auf meine Bierkruggalerie aus Steinzeug und Glas. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich mich die Nacht hindurch über Wasser halten sollte, nicht wegen der Kondition die man ja durchweg benötigte, sondern wegen der Ware, die zusehends knapper und knapper wurde. Das Geschäft lief eben gut. Gott sei Dank hatte ich einige hochwertigere Artikel »am Mann« von denen man sagen könnte, es seien Kunstgegenstände. Mit schnellem Geld war da nichts. Ab 19 Uhr fühlte ich mich auf dem Markt wie in einem Ameisenhaufen – eine Kundenlawine hatte sich breitgemacht. Sie bestand mehr aus neugierigen Gaffern und weniger aus Käufern. Aus diesem Grund florierte das Geschäft in zunehmendem Maße schlechter. Man hätte aus dem Nachtflohmarkt durchaus einen »Spät am Abend-Flohmarkt« zaubern können, aber vorprogrammiert war eben die Zeit bis fünf Uhr morgens. Für diese Zeit war auch die Standgebühr entrichtet. Als stille Reserve kramte ich einige Einzelteile Meissner Porzellans aus der Verpackung und stellte einige schöne Böhmische Gläser
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