Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers
Hallenboden ausgebreitet. Feuerlöscher wurden von den Wänden gerissen, aber sie konnten gegen das Flammeninferno nur wenig ausrichten. Hassans Bretterverschlag mit Dönerspieß und Tresen brannte lichterloh, doch wichtiges Inventar hatte er in letzter Minute gerettet. Ich selbst hatte mein Bargeld am Mann. Glücklicherweise hatte ich mehr als zwei Drittel meiner Ware noch vor dem Überfall verkauft. Die Fabrikhalle war von dichtem Rauch durchdrungen. Meine Reisetasche mit dem restlichen Kleinkram habe ich nicht wiedergefunden. Mich schmerzte der Verlust der so mühevoll zusammengetragenen Einzelteile Thüringer und Meissner Porzellans. Mit großer Mühe tastete ich mich zum Hallenausgang. Dabei orientierte ich mich nach dem kühlen Luftzug, der nach innen strömte. Die Rangeleien gingen auf dem Hallenvorplatz weiter. Inzwischen war eine Hundertschaft Polizei angerückt, fast zeitgleich war die Feuerwehr präsent. Als die Feuerwehrleute die Schlauchhaspeln an den Tanklöschfahrzeugen klarmachten, um zum Löschangriff zu stürmen, versuchten die Randalierer, auch sie zu attackieren. Die Feuerwehrleute ließen Brand Brand sein und richteten ihre Strahlrohre mit großer Wirkung gegen die Angreifer.
Die Alarmierung von Polizei und Feuerwehr erfolgte viel zu spät. Ich hatte die Nase gestrichen voll. Rauch biss im Hals und Husten quälte mich. Ich hatte nichts Eiligeres zu tun, als mich in meinen PKW zu setzen und abzudampfen, als zwei Baseballschläger von außen durch die Windschutzscheibe krachten. Glassplitter schossen in mein Gesicht. Ich kannte diesen stechenden Schmerz von meinem Autounfall her, aber dieses Mal war es nicht ganz so schlimm.
Die beiden Übeltäter liefen der Polente förmlich in die Arme. Die im Abseits stehende grüne Minna, die für deren Abtransport bestimmt war, ging in Flammen auf – die brennende Flüssigkeit einer Brandflasche deckte das Fahrzeug vollkommen zu. Kurz danach brannten auch die Reifen des Polizeifahrzeuges. Es zischte und krachte. Die Polizisten ließen von ihren Gefangenen trotzdem nicht ab. Sie drückten sie zu Boden und rissen ihnen die Vertarnungen vom Haupt. Die Feuerwehr brachte inzwischen den Hallenbrand unter Kontrolle. Einige Rettungswagen waren vor Ort und Sanitäter brachten Verletzte in ihre Obhut. Dann war die Reihe an mir. Letzten Endes wehrte ich ab, obwohl ich an einer Rauchvergiftung litt. Dann versuchte ich, Hasan aufzuspüren – vergebens! Wenigstens gelang es mir vor Ort, eine Schadensmeldung betreffs meiner demolierten Windschutzscheibe bei der Polente los zu werden, dann begab ich mich gegen den Widerstand von Polizei und Feuerwehr in die von Rauch und Wasserdampf durchsetzte Markthalle. Da fand ich Hasan beim Aufräumen zwischen seinem verkohlten Flohmarktgerümpel. »Unkraut vergeht nicht!«, meinte er. Sein Gesicht war schwarz wie das eines Negers. Seine weißen Zähne blitzten und die Augen leuchteten. »Denen haben wir es gegeben!«, meinte er. Sein Gesicht hatte einige Schrammen abbekommen. Auf Grund einer Augenbrauenverletzung und der dadurch hervorgerufenen Blutung war Hasan auf einer Seite ziemlich verunstaltet. Ich fragte mich, wer mehr abbekam als er selbst und wem er es gegeben haben will. Hasan hatte sich übrigens mit einem seiner Landsleute, einem Immobilienhai, angelegt. Das Vorkommnis von heute war also die Quittung dafür. Unbeteiligte mussten den Zoff ausbaden. Die meisten Auftragsrandalierer waren verschwunden wie sie kamen – der Effekt des Polizeieinsatzes war gleich Null. Vier oder fünf Verhaftungen sind es wohl geworden und diejenigen, die man der Justiz zuführte, waren halbe Kinder. Hasan sah auf seine Armbanduhr. Das Zifferblatt war vom Rauch geschwärzt, sodass man nicht einmal die Uhrzeiger erkennen konnte. Hasan wischte den Ruß mit dem linken Jackenärmel herunter und erinnerte mich ganz beiläufig daran, dass es heute Morgen gegen Acht Frühstück geben würde. Langsam ebbten die Unruhen ab und inzwischen war es sieben Uhr. Ich stieg ins Auto und fuhr im Radfahrertempo ohne Frontscheibe in die Kreuzberger Gneisenaustraße. Trotzdem trieb mir der Fahrtwind Tränen aus den Augen. Hasan hatte die Scheibenerneuerung meines Opels längst in die Wege geleitet. Mein Ansturm von Begeisterung hielt sich jedoch in Grenzen, weil ich nicht herausbekam, wen er sich da zum Kontrahenten oder besser gesagt, zum Feind machte. Am liebsten hätte ich meinen Kontakt zu Hasan Abdullah abgebrochen, aber der Bandenkrieg zwischen ihm und
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