Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers
Plattensammlung. Dann fragte ich scherzhaft an, ob ich 400 km Wegstrecke wegen einiger Märsche zurücklegen solle, obwohl jede dieser Platten gerade mal mit sechs schlappen DM angekauft würde, ganz abgesehen von der Zeit, die ich zu investieren hätte. Hasan verneinte. Ich hätte doch wie immer noch so vieles an interessantem ,Kleinzeug’ in petto, was immer gut ging. Natürlich meinte Hasan wertvolle Abrissgläser von der Jahrhundertwende bis zur Barockzeit.
Eigentlich war ich wenig motiviert, das kommende Wochenende wieder in Berlin zu verbringen, um in Decken gehüllt auf dem Boden eines Kleintransporters dahin zu vegetieren. Plötzlich ist mir bewusst geworden, dass ich ab sofort auf mich allein gestellt war. Wie gesagt, Mackenrodt hatte sich für unbestimmte Zeit nach Berlin abgesetzt. Aus diesem Grund gab es für mich kein Wenn und Aber.
Hasan informierte mich, dass es eine türkische Spezialität gäbe, die seine Ehefrau mit Bravour zubereiten könne. Hasans Stimme schlug in diesem Moment wirklich um eine Oktave höher. Es schien, als sei es ein ganz besonderes Gericht. Es handelte sich jedenfalls um ein nationale Speise mit dem Namen ,Izgara Köfte’ – Kartoffeln in Tomatensauce mit geschmorten Hackfleischbällchen. Da sollte es eine Familienschlämmerei geben, zu der ich eingeladen war. Falls ich so per Knips und Druck nach Berlin kutschierte, wäre dieses komische Kartoffelzeugs in Tomatensauce bestimmt nicht der Auslöser. Allerdings sagte mir die türkische Küche in mancherlei Hinsicht zu. Mir gefiel besonders die Gastfreundschaft Hasans, die mir als Ossi zuteil wurde. Die gleiche Gastfreundschaft erfuhr ich, als ich das erste Mal Ware zum Flohmarkt am Brandenburger Tor transportierte. Hasan legte wohl großen Wert auf meine Anwesenheit – so jedenfalls hörte ich es aus unserem Telefonat heraus. Ich bildete mir gar nichts darauf ein, denn ich kam mit jeder der 50 Nationalitäten auf dem Flohmarkt klar und das wusste Hasan.
Jedenfalls versprach das kommende Wochenende turbulent zu werden. Ich gewöhnte mich langsam an den Gedanken, das kommende Wochenende wieder irgendwo und irgendwie zu verbringen. Zum Schluss freute ich mich sogar darauf, aber es kam ganz anders. Inzwischen hatte ich mir einen Sportwagen von VW zugelegt. Bei der Finanzierung half mir meine Großmutter mit sehr kleinen Raten, aber sie half! Dabei vertrat sie die Meinung, dass, wenn man eine größere Investition tätigen würde, man noch einen kleinen Spargroschen in petto haben müsste. Ich setzte natürlich mein Erspartes. Letzten Endes hatte ich Glück: da existierte eine Familie reiferen Alters, die nach ihrer Meinung eine Fehlinvestition getätigt hatte. Der Wagen sei eine Garnitur zu schnell, weil er einige PS zu hoch getrimmt sei. Und wenn ich also schnell zahlte, bekäme ich das Fahrzeug als erster. Auf dem Tacho standen um die 20.000 gefahrene km. Ich bekam das Auto trotzdem günstig und fuhr ein Stück Probe. Endlich hatte ich einen anständigen Schlitten unterm Hintern. Das Fahrzeug besaß einen Bordcomputer und hatte 160 PS unter der Haube. Diese Karre war genau das Richtige für mich. Dann kam ich auf die Idee, der Irma Kaminski meine Aufwartung zu machen. Schließlich hatte sie mich darum gebeten. Ich fuhr donnerstags Abend zu ihr und fragte, ob sie mich übers kommende Wochenende nach Berlin begleiten wolle. Als sie zusagte, lief mir ein warmer Schauer über den Rücken. Auch aus Irmas Augen spross pure Begeisterung, wohl mehr wegen des ,Abenteuers Berlin’ und wegen meines neuen Sportwagens Marke Corrado von VW. Im Moment war mir das egal. Irma jauchzte sogar vor Begeisterung. Ich hatte, so bildete ich mir jedenfalls ein, nicht nur ein Maskottchen neben mir, sondern auch eine Gefährtin, mit der ich während der zweieinhalb Stunden Fahrt vielleicht warm würde. Dass ich während meines Aufenthaltes in Berlin mehr Arbeit als alles andere am Hals hatte, verschwieg ich natürlich. Dieses Mal war eine Art Nachtflohmarkt á la Hasan Abdullah angesagt. Wenn das Irma so akzeptierte, nur um in meiner Nähe zu sein, wäre das schon eine Art Feuertaufe für sie. Außerdem nahm ich mir vor, ordentlich mit ihr auszugehen. Ich ramschte alles zusammen, was für einen Flohmarktverkauf infrage kommen würde, verpackte etwas an Proviant für zwei, das heißt für mich und Irma, verstaute es im Kofferraum und tankte den Wagen auf. Donnerstagabend fuhr ich noch nach Wiederitzsch, um etwas an älterer Literatur anzukaufen. Sie
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