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Rachedurst

Rachedurst

Titel: Rachedurst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Patterson
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konnte, war, dass der Zug Richtung New York City fuhr.
    Ja, das wissen wir. Das hat uns der nicht identifizierte Mann auch gesagt. Aber auch, dass der Zug unterwegs nicht mehr anhalten würde.

    Nach meiner eiligen Ankunft musste ich auf dem leeren Bahnsteig von Gleis 19 warten. Das Bild von Bruno Torenzi hatte sich so tief in mein Gehirn gebrannt, dass ich mich kaum auf etwas anderes konzentrieren konnte. Ich sah ihn im Lombardo’s, ich sah ihn in der Eingangshalle meines Wohnhauses. Jetzt sollte ich ihm wieder begegnen. Irgendwie dachte ich, es müsste das letzte Mal sein. Doch wie sah sein Plan aus? Ich hatte keine Ahnung.
    Ich hätte dieses Schwein am liebsten umgebracht. Noch nie in meinem Leben hatte ich einen solchen Hass und Widerwillen gegen jemanden empfunden.
    Immer locker bleiben, Nick. Halte deine Wut im Zaum.
    Doch das war nahezu unmöglich. Vor allem, wenn ich an Elizabeth und daran dachte, wie verängstigt sie oder wie erschreckt ihre Mutter sein musste. Nur wenige Minuten nachdem ich aus dem Krankenhaus gestürmt war, hatte ich Kate auf ihrem Mobiltelefon erreicht. Sie war nur kurz einkaufen gewesen und wollte in einer halben Stunde wieder zu Hause sein. Behutsam hatte ich ihr mitgeteilt, dass Elizabeth nicht auf sie warten würde.
    »Mein kleines Mädchen!«, hatte sie immer wieder gesagt. Ich hatte es kaum ertragen.
    Dann rief ich Courtney an, um sie um einen Gefallen zu bitten, der, wie sie es sah, eigentlich kein Gefallen war. Sobald ich ihr erzählt hatte, was passiert war, und sie wusste, dass sie hier in der Stadt nichts für mich tun konnte, hatte sie meine Gedanken gelesen. Ja, schon, meine Schwester war bei der örtlichen Polizei gut aufgehoben, konnte aber nichts tun, außer den Ausgang der Ereignisse abzuwarten.
    »Sie braucht jemanden in ihrer Nähe, den sie kennt, sie braucht ein vertrautes, freundliches Gesicht«, sagte Courtney. »Ich bin schon auf dem Weg.«

    Ja, danke! Und wenn alles vorbei ist, will ich dich bei mir haben, Courtney. Okay? Nichts und niemand wird mich daran hindern.
    Wie auf Kommando hörte ich ein Rattern in der Ferne. Dann sah ich ihn.
    Der Zug aus Westport fuhr in den Bahnhof ein wie eine sich langsam bewegende Schlange aus Metall. Als die Druckluftbremsen die Schienen umfassten, hallte ein stechendes Zischen zwischen meinen Ohren wider.
    Jetzt ging’s also los. Am Ende des Weges, der Schiene oder wo auch immer.
    Die Schiebetüren glitten gleichzeitig zur Seite. Doch der vertraute Anblick von herausströmenden Menschen fehlte. Es herrschte eine beängstigende Stille. Ich hielt den Atem an. Hielt es kaum aus. Doch dann …
    Tick, tick-tick-tick …
    Endlich sah ich sie am Ende des Bahnsteigs. Elizabeth verließ den ersten Waggon, geführt von ihrem Blindenstock. Sie trug ausgebleichte Jeans und eine lindgrüne Reißverschlussjacke, ihr Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Alles an ihr wirkte jung und unschuldig  – außer ihrem Gesichtsausdruck. Sie hatte die Lippen aufeinandergepresst, die Nase ängstlich gerümpft – sie wirkte wie versteinert.
    Dennoch war ich so erleichtert, sie zu sehen – sie lebendig zu sehen –, dass mir die Unstimmigkeit nicht gleich auffiel.
    Sie war allein. Kein Bruno Torenzi.
    »Elizabeth!«, rief ich.
    Ich rannte ihr entgegen, ein rein körperlicher Vorgang, den ich mit der Vernunft nicht steuern konnte. Was hätte mich auch zurückhalten sollen?

    Aber genau das würde meine Nichte jetzt tun. Sie blieb stehen und hob eine Hand. »Warte, Onkel Nick!«, rief sie. »Bleib genau dort stehen! Das meine ich ernst!«

93
    Oh, Gott, nein! Das konnte nicht sein!
    Doch leider war es so. Ich brauchte mir nur die roten Drähte anzusehen, die unter Elizabeths Jacke hervorlugten. Von dort an verband ich die Punkte wie beim Malen nach Zahlen miteinander. Genauso wie die roten Drähte mit den C4-Päckchen verbunden waren, die Elizabeth am Körper trug.
    »Du Dreckschwein!«, rief oder vielmehr schrie ich. Ich konnte ihn nicht sehen, doch ich wusste, Torenzi war da. Irgendwo. Und plötzlich überall.
    Aus den Lautsprechern dröhnte ein Knacken, gefolgt von einer Stimme mit starkem italienischem Akzent. »Was habe ich gesagt? Du sollst allein kommen!« Es klang wie die Stimme Gottes.
    »Ich bin allein gekommen!«, rief ich.
    »Lüg mich noch einmal an, und deine Nichte stirbt einen schrecklichen Tod.«
    Ich blickte Elizabeth an. Ihre Augen waren auf mich gerichtet, doch ich wusste, dass sie mich nicht sah. Das machte

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